Parti Socialiste stellt sich neu auf
Monatelang war die französische Parti Socialiste (PS) intern zerstritten. Die "Fronten" verliefen zwischen den Befürwortern und den Gegnern der EU-Verfassung. Auf ihrem jüngsten Parteitag haben sich die Kontrahenten am 20. November überraschend geeinigt. Doch hinter der verputzten Fassade brodelt es weiter. Die PS steckt in einer Identitätskrise.
Die Nachricht kam spät in der Nacht nach zähen Verhandlungen auf dem Parteitag in Le Mans. Die drei größten PS-Strömungen haben einer erweiterten Vorlage von Parteichef François Hollande zugestimmt. Hollande bezeichnete die interne Einigung als "kollektiven Erfolg". Die Nachhaltigkeit dieser Versöhnung stellen allerdings viele Beobachter in Frage. Zwar sind sich die Sozialisten darüber einig, die europäische Verfassung solle sozialer sein, doch der gemeinsame Weg dahin ist noch unklar.
In den letzten Monaten stand die Strömung um den ehemaligen Premier Laurent Fabius auf Kriegsfuß mit den anderen Parteiflügeln, vor allem dem von François Hollande. Der Grund: Im Frühjahr hatte Fabius eine Kampagne gegen die EU-Verfassung gestartet. Das europäische Wirtschaftsmodell war ihm zu liberal. Seitdem haftet Fabius der Ruf der Illoyalität gegenüber der Partei an, da sich die Parteibasis im Vorfeld des Referendums im Dezember 2004 für das "Oui" entschieden hatte. Schließlich stimmten die Linkswähler doch mehrheitlich gegen die EU-Verfassung. Fabius musste anschließend für seine Fronde büßen: Im Juni musste er auf Wunsch von Hollande seinen Posten als Nummer zwei in der Partei räumen. Bei den internen Wahlen auf dem Parteitag der Sozialisten rutschte zudem die Strömung von Fabius an dritte Stelle hinter diejenige von Parteichef Hollande und die Nouveau Parti Socialiste (NPS).
Mit dem Einigungspapier kommt die Kakophonie innerhalb der PS nur vorübergehend zum Schweigen. Denn die wesentlichen Fragen der linken Identität sind noch offen. Sie verfügt immer noch nicht über ein neues, gemeinsames Programm. Zwischen der linken Position von Laurent Fabius oder von Henri Emmanuelli von der NPS und den reformistischen Ansichten von Dominique Strauss-Kahn oder François Hollande liegen Welten.
Spätestens bei der Wahl des Spitzenkandidaten für die nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 wird sich zeigen, wie links die PS sein will. "Die PS hat die grundsätzliche Frage noch nicht geklärt, inwieweit die gesellschaftlichen Strukturen verändert werden müssen, um im verschärften internationalen Wettbewerb zu bestehen. Es geht um die Vereinbarung zwischen ihren sozialen Grundwerten und den Herausforderungen der Globalisierung", stellt Angelica Schwall-Düren, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion fest, die an dem PS-Parteitag in Le Mans teilnahm.
Immerhin hat es die PS bisher geschafft, ihr linkes Gedankengut innerhalb der Partei zu bewahren. Trotz seiner geschwächten Position agiert Fabius immer noch innerhalb der PS. Doch manche zittern, er könnte sich trennen - so wie einst Lafontaine, um eine Kandidatur mit anderen linken Parteien zu wagen. Diese Gefahr versuchten die übrigen PS-Strömungen auf dem Parteitag in den Griff zu bekommen: Sie nahmen die Kritik von Fabius gegenüber Europa in das Einigungspapier von Le Mans auf.
"Das ist das Schöne an unserer Partei. Unterschiedliche Strömungen finden bei uns ihren Platz", schwärmte danach Anne-Eugénie Faure, PS-Mitglied aus Levallois-Perret, einem ruhigen Pariser Vorort.
Mit Besorgnis guckt hingegen Angelica Schwall-Düren auf die großen inhaltlichen Unterschiede zwischen den PS-Strömungen. Dennoch hätten sich die Linksströmungen der PS "in der Praxis als viel reformistischer als in ihrem Diskurs erwiesen, der noch von der alten revolutionären Rhetorik geprägt wird".
Die Gründe der aktuellen Kompromissbereitschaft in der PS haben allerdings einen weiteren Hintergrund. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2002 musste die PS bitter erleben, welche verheerenden Folgen die Zersplitterung des linken Lagers hatte. Da zahlreiche linke Politiker kandidierten, darunter der ehemalige Innennminister im Kabinett Jospin, Jean-Pierre Chevèment, war das linke Wählerlager so sehr zersplittert, dass der damalige PS-Kandidat Lionel Jospin hinter den Populisten Jean-Marie Le Pen rutschte. In der Schlussrunde musste Chirac gegen Le Pen antreten - ein Schreckensszenario, das die Sozialisten partout vermeiden wollen.
"Die politische Verantwortung gegenüber einer gemeinsamen Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen ist in Frankreich sehr stark", meint Schwall-Düren. Sogar der Rest der linken Parteien überlegt heute, einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 zu stellen, was der Quadratur des Kreises gleicht.
Innerhalb der PS gibt es zahlreiche potenzielle Kandidaten. Darunter Laurent Fabius, der seine Absicht deutlich formuliert, obwohl er nur ein Fünftel der Basis auf dem Parteitag für seinen Leitantrag hinter sich bringen konnte. Auch Hollande, der seit 1997 Chef der französischen Sozialisten ist und vergangene Woche in einer Urabstimmung der Parteibasis in seinem Amt erneut bestätigt wurde, dürfte mit einer Kandidatur liebäugeln.
Die größten Chancen unter den linken Kandidaten werden laut Umfragen zurzeit aber seiner Lebensgefährtin Ségolène Royal eingeräumt. Seit ihrem Sieg bei der Regionalwahl 2004 erfreut sie sich großer Beliebtheit und könnte im Frühjahr 2007 die erste Frau an der Spitze des französischen Staates werden.