Interview mit EU-Kommissarin Margot Wallström
Das Parlament: Frau Vizepräsidentin Wallström, Sie haben sich mit ihrem "Plan D" zum Ziel gesetzt, so ein Zitat von Ihnen, "die Meinung der Menschen über Europa zu ändern". Was ist das neue an Ihrem Plan?
Margot Wallström: Der Unterschied ist, dass wir wirklich versprechen, zuzuhören und der EU sozusagen Ohren verleihen möchten. Früher nannte man das Information und es ging darum, eine Botschaft an den Mann oder die Frau zu bringen. Aber ich verstehe Kommunikation in einem viel weiteren Sinne, und zwar als ein Ziel: Das ist Demokratie.
Das Parlament: Wer sind dabei Ihre Verbündeten - die Mitgliedstaaten?
Margot Wallström: Unser wichtigster Partner sind die Zivilgesellschaften, aber natürlich auch die nationalen Parlamente und das Europaparlament. Denn nur gemeinsam kommen wir weiter, indem wir den Menschen in Diskussionen politische Inhalte vermitteln. Und dabei müssen aber auch die Regierungen mitziehen.
Das Parlament: Woran denken Sie dabei?
Margot Wallström: Es sind die ganz konkreten Probleme, die für die Menschen wichtig sind: Die Tatsache, dass es zum Beispiel 20 Millionen Arbeitslose in Europa gibt oder auch unsere Umweltprobleme, die keine nationalen Grenzen kennen und vieles mehr. All das sind Probleme, auf die unsere Bürger von der Europäischen Union eine Antwort erwarten. Nur wenn wir darüber reden und die Menschen einbinden, können wir auch Legitimität erreichen.
Das Parlament: Darum dürfte es auch in Ihrem Buch mit dem Titel "Warum ist es so hart, Europa zu lieben?" gehen. Hat sich Ihre Antwort auf diese Frage seit Ihrer Ernennung als Kommissarin für Kommunikation verändert?
Margot Wallström: Im Grunde gibt es zwei Ansichten zu Europa: Entweder man denkt, Europa ist riesengroß und sitzt in jedem Winkel. Dann wird es von den Menschen als bedrohlich empfunden. Oder es heißt, Europa kümmere sich selbst um die kleinsten Dinge, die die Menschen betreffen. Das ist die berühmte Gurke oder Erdbeere, an der rumgedocktert wird. Und dann wird Europa lächerlich. Selten wird aber gesagt, was Europa und die EU eigentlich wirklich tun und das ist ein entscheidender Teil des Problems. Durch diese Fehleinschätzung und falsche Wahrnehmung ist es sehr schwierig zu verstehen, wie Europa wirklich funktioniert. Was oft passiert, ist, dass die Menschen sich unheimlich weit entfernt fühlen und den Eindruck bekommen, die EU sei das, was Politker irgendwo abwickeln.
Das Parlament: Was sich auch im Ergebnis der Referenden zum Europäischen Verfassungvertrag in den Niederlanden und in Frankreich niedergeschlagen hat. Jetzt wurde erstmal eine Denkpause verordnet. Worin sehen Sie Ihre konkrete Aufgabe?
Margot Wallström: Entscheidend ist, dass in dieser Denkpause das Feedback abgewartet wird. Die Entscheidungsträger müssen auf die von den Menschen vorgetragenen oder geäußerten Probleme reagieren. Das ist die wirkliche Herausforderung. Wenn Du den Menschen zuhörst, musst Du auch wissen, wie Du mit dem, was Du hörst, nachher umgehst.
Das Parlament: Als frühere Umweltkommissarin waren Sie mit ganz konkreten Gesetzgebungsprojekten befasst. Welche Erfahrungen können Sie davon auf Ihre Arbeit als Kommissarin für Kommunikation übertragen, zum Beispiel für die Vermittlung der Chemikalienrichtlinie REACH?
Margot Wallström: Ich denke, dass REACH immer noch als eine sehr technische oder juristische Frage angesehen wird. Aber als ich einen öffentlichen Bluttest gemacht habe, konnte ich zeigen, dass dieses Thema jeden von uns etwas angeht, dass all das Gift in unserem Körper zum Alltag gehört. Das ist für mich eben die Hauptaufgabe: zu beschreiben, warum europäische Entscheidungen uns alle betreffen.
Das Parlament: All das kostet nicht nur Überzeugungskraft, sondern auch Geld. Steht Ihr Budget im Verhältnis zu Ihrer Aufgabe?
Margot Wallström: Zunächst muss einmal entschieden werden, dass Geld in entsprechende Strukturen investiert wird. Strukturen, die erforderlich sind, um professionell arbeiten zu können. Das bedeutet, wir brauchen Geld und wir brauchen Stellen. Aber wir brauchen nicht nur mehr Geld, sondern wir brauchen auch das Verständnis dafür, dass die Kommunikation in unsere Entscheidungsfindung integriert werden muss.
Das Parlament: Und ist Ihr Budget denn konkret erhöht worden?
Margot Wallström: Wir haben 50 Stellen geschaffen und das ist wirklich ein guter Start. Und wir setzen uns auch beim Europäischen Parlament dafür ein, dass wir mehr Geld bekommen.
Das Parlament: Sie kümmern sich nicht nur um die externe, sondern auch um die interne Kommunikation. Wo sehen Sie hier Ihre Hauptaufgaben?
Margot Wallström: Wir wollen dafür sorgen, dass jede Generaldirektion auch über die Kommunikation nachdenkt und sie von Anfang an als Teil ihrer Arbeit begreift. Wenn wir einen neuen Vorschlag erarbeiten, egal ob für Steuern, Transport oder auch Umwelt, müssen wir gleichzeitig darüber nachdenken, ob und wie dieser Vorschlag verstanden wird. Das heißt, wie können wir den Vorschlag so präsentieren, dass die Menschen wissen, was es damit auf sich hat.
Das Parlament: Die Europagemeinde spricht ja oft eine eigene Sprache...
Margot Wallström: Wir sollten nicht länger vom Lissabon-Prozess oder den Kopenhagener Kriterien sprechen. Die Leute denken ja, wir wären ein Reisebüro und nicht eine politische Gemeinschaft. Daher sollten wir immer, wenn wir anfangen, über etwas nachzudenken, auch sofort bedenken, wie wir es kommunizieren können.
Das Parlament: Gibt es nicht manchmal Konkurrenz innerhalb der Verwaltung, denn Kommunkation bedeutet doch auch Macht?
Margot Wallström: Ja, das hat es auch mal gegeben, aber ich denke, wir haben das inzwischen überwunden.
Das Parlament: Oftmals wird der Vorwurf erhoben, unter dem Deck-mantel der Kommunikation würden Tatsachen verschönt dargestellt.
Margot Wallström: Ich sehe Kommunikation als ein Menschenrecht an, es ist eine Verpflichtung gegenüber dem Bürger und ich glaube, die Menschen sind zu klug, um auf Propaganda hereinzufallen.
Das Interview führte Annette Sach