Es bleibt kein Stein auf dem anderen - Bayern krempelt seine Verwaltung drastisch um und will auch den Vorschriften-Dschungel kräftig durchforsten. Das Unternehmen gilt als Kernstück der ganzen Legislaturperiode. In einer Regierungserklärung vor dem Landtag sprach der für das Projekt "Verwaltung 21" verantwortliche Staatskanzleichef Erwin Huber von der "umfassendsten Strukturreform der bayerischen Verwaltung seit den letzten Jahrzehnten". Ziel sei eine Verschlankung, um mit weniger Personal mehr finanziellen Spielraum für politisches Gestalten zu gewinnen.
Die Opposition übte heftige Kritik. Die SPD-Abgeordnete Christa Naaß sagte, der Staatsregierung gehe es nicht vorrangig um eine effektive, bürgernahe, kommunalfreundliche Verwaltung, sondern um Kürzen, Leistungsabbau, Rückzug des Staates, Zerstückeln von Strukturen und um die "egoistischen und ehrgeizigen Ziele" von Ministerpräsident Stoiber, die Statsverschuldung bis 2006 auf Null zu bringen. Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr bemerkte, so wie Huber vorgegangen sei, sei es kein Wunder, dass für die Menschen in Bayern "Reform" inzwischen zum "Unwort" geworden sei.
Dem Minister zufolge fallen bei der Verwaltungsreform allein durch Abbau von Hierarchien mehr als 20 Präsidentenstellen weg. Bei voller Umsetzung werde zusammen mit der Arbeitszeitverlängerung für die Beamten ein Einsparpotenzial von rund 11.000 Stellen oder rund 550 Millionen Euro pro Jahr erreicht. Bei der Neuorganisation der Bezirksregierungen bis 2006 werden laut Huber 1.000 Planstellen abgebaut, etwa 25 Prozent des Personals. Die Gewerbeaufsichtsämter wurden bereits im Januar den Regierungen angegliedert. Die bisherigen Ämter für Versorgung und Familienförderung werden zu einem "Zentrum Bayern Familie und Soziales" umgewandelt.
Aus bisher 75 Behörden im Bereich Bau- und Wasserwirtschaftsämter macht Huber 39, was 1.400 Stellen weniger bedeutet. Die Vermessungsämter schrumpfen von 79 auf 51. Und die bisherigen fünf Landesämter im Geschäftsbereich des Umweltministeriums werden auf zwei komprimiert.
Noch in diesem Jahr soll die Reform der Forst- und Landwirtschaftsverwaltung über die Bühne gehen. Die Bewirtschaftung des Staatswaldes übernimmt eine Anstalt des öffentliches Rechts ("Bayerische Staatsforsten"), mit mehr als 2.800 Mitarbeitern das größte Forstunternehmen Mitteleuropas, so Huber. Landwirtschafts- und Forstämter (bisher 79 beziehungsweise 127 Sitze) werden zu 47 Ämtern für Landwirtschaft und Forsten zusammengelegt. Der Reformminister geht dabei von 1.200 Planstellen weniger aus.
Zu den Reform-Opfern zählt - was unter Juristen einen Proteststurm ausgelöst hat - auch das bisher bundesweit einzigartige Bayerische Oberste Landesgericht. Auf unterer Ebene müssen die Außenstellen der Amtsgerichte dichtmachen. Bei der Polizei werden Präsidien und Direktionen zu einer neuen Führungsebene verschmolzen. Statt 59 Führungsdienststellen wird es künftig nur noch 13 geben.
Weiter kündigte Huber einen Aufgabenabbau an und griff die Bundesregierung an, die Bürokratie nicht ab-, sondern aufbaue. Die vom Bundeswirtschaftsminister versprochene Initiative sei im Sande verlaufen. Die Bilanz von dessen Amtszeit seien "sage und schreibe 1.000 neue, zusätzliche Gesetze und Verordnungen - willkommen in Absurdistan". Dagegen seien in Bayern bereits mehr als 600 Vorschläge zum Aufgabenabbau gesichtet worden, von denen das Kabinett 119 befürwortet habe.
Huber versprach auch eine konsequente Umsetzung der von der "Henzler-Kommission" vorgelegten Vorschläge zur Entlastung insbesondere der Unternehmen. Von 105 Empfehlungen seien 95 aufgegriffen, 75 auf den Weg gebracht und 20 bereits vollständig umgesetzt worden. Der Staatskanzleichef: "Bayern soll das Land mit den wenigsten Vorschriften werden." Ein Drittel der Verwaltungsvorschriften werde ersatzlos gestrichen. "Sehr rasch" will Huber die Zahl der Landesverordnung von 1.100 auf rund 850 reduzieren. Bereits um zehn Prozent zurückgegangen sei seit Januar 2003 die Zahl der Landesgesetze.
Die SPD-Abgeordnete Naaß warf der Staatsregierung bei ihrer Reformpolitik autoritären, selbstherrlichen und obrigkeitsstaatlichen Stil vor. Der Zentralismus habe sich weiterentwickelt, "die Ministerien wurden entmachtet und die Staatskanzlei bestimmte, nicht nur welche Verwaltung, sondern welchen Staat wir künftig haben werden". Schon jetzt sei die Funktionsfähigkeit des Staates in vielen Bereichen nicht mehr gewährleistet und es fehlten Tausende Beschäftigte in der Finanzverwaltung, bei der Polizei und in den Schulen. Der Freistaat sei als größter Arbeitgeber der größte Arbeitsplatzvernichter.
Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr hielt Huber vor, Superminister im großspurigen Ankündigen und im grundlosen Selbstlob zu sein, weil bisher so gut wie nichts von den bei Amtsantritt ausgerufenen Reformen umgesetzt worden sei. Bayern bleibe "ungefährdeter deutscher Bürokratie-Meister". Als "unrühmlichstes aller unrühmlichen Beispiele" bezeichnete Dürr die Einführung eines Büchergeldes - "ein bürokratisches Monster ohnegleichen", das auf die Kommunen losgelassen werde. Mit dem Vollzug seien 1.450 kommunale Verwaltungsstellen befasst, insgesamt betrage der Aufwand nach eigenen Berechnungen der Staatsregierung immerhin 118.900 Stunden.