Die Diskussion über eine weitgehende Liberalisierung der Abfallwirtschaft hat bei den niedersächsischen Kommunen und Landkreisen zu neuer Verunsicherung geführt. Das machte jetzt eine Anhörung im Umweltausschuss des niedersächsischen Landtags deutlich. "Wir brauchen Planungs- und Investionssicherheit und endlich eine klare Linie der Regierung bei der kommunalen Abfallentsorgung", so Axel Ebeler vom niedersächsischen Städtetag. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hatte seine Ziele erst kürzlich unmissverständlich dargelegt. Er will die Privatisierung der Abfallwirtschaft Stück für Stück vorantreiben, auch im Bereich der Restmüllentsorgung. Mehr Wettbewerb könne für die Bürger zu Kostensenkungen führen, die Kommunen sollten sich dagegen stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, sagte er.
Diese Äußerungen haben die Opposition aufgeschreckt. Mit Unterstützung der SPD fordern die Grünen im Landtag jetzt in einem Antrag ein klares Bekenntnis des Parlaments zur kommunalen Daseinsvorsorge. Sie befürchten, dass eine weitere Privatisierung der kommunalen Abfallentsorgung zu einer Monopolwirtschaft von Müllmultis wie der Remondis AG führen werde. Das Unternehmen ist erst seit kurzem nach der Übernahme der RWE Umwelt zur Nummer eins im bundesweiten Entsorgungsmarkt aufgestiegen. Unternehmen dieser Größenordnung, so die Bedenken der Opposition, kümmerten sich nicht um ökologische Langzeitprobleme bei der Entsorgung und würden den Markt mit Preisdiktaten kaputt machen.
Die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen bestätigen diese Sorge und befürchten selbst wirtschaftliche Nachteile. "Wenn jeder Bürger frei über seinen Anbieter entscheiden kann, bleiben die Kommunen auf der Strecke", sagte ein Sprecher. Die privaten Entsorger würden sich lukrative Regionen und Geschäftsbereiche herauspicken. Landkreise und Kommunen müssten aber wegen ihres Grundentsorgungsauftrags jede noch so entlegene Tonne im Wald abholen. Außerdem bliebe an den Kommunen der teure Betrieb von Deponien hängen. Mehrkosten durch zusätzliche Kontrollaufgaben bei der Entsorgung könnten dann auch nicht mehr durch Müllgebühren gedeckt werden, sondern müssten aus Steuern bezahlt werden.
Die CDU-Fraktion ist sich deshalb auch noch nicht einig, inwieweit sie den Kommunen hier den Rücken stärken oder die Liberalisierungspolitik des FDP-Umweltministers stützen soll. Für den umweltpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Dürr, hat die Expertenanhörung noch einmal bestätigt, "dass die privaten Müllentsorger besser für die Zukunft gerüstet sind als die Kommunen". Die geladenen Vertreter des Entsorgungsriesen Remondis sehen ihrer Zukunft gelassen entgegen. Sie setzen auf einen schrittweisen Einstieg in die Entsorgungswirtschaft und schlagen nun vor, zunächst im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung Beteiligungsgesellschaften mit den Kommunen einzugehen. Langfristig sind sie davon "überzeugt, dass eine Privatisierung der Abfallwirtschaft nicht mehr aufzuhalten ist". Rückenwind erhalten sie aus Brüssel. Auf europäischer Ebene haben die Liberalisierungsbefürworter die Mehrheit, und mit Spannung wird derzeit eine Entscheidung von Parlament und Kommission zur Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge in Europa erwartet. Schon deshalb wollen die Fraktionen von SPD und Grünen mit einem Landtagsbeschluss die Position der Bundesregierung in der EU zum Schutze der kommunalen Abfallentsorgung stärken. Umweltminister Sander bekräftigte hingegen auch nach der Anhörung, dass er sich in allen Gremien, also auch im Bundesrat, für eine weitere Privatisierung und mehr Wettbewerb im Entsorgungsmarkt einsetzen werde.