Gezielt wird an öffentlichen Plätzen eine gewisse Klientel - meist Sozialhilfeempfänger - für eine Vaterschaftsanerkennung gesucht, und dies ist laut Jürgen Gehb kein Zufall. "Denn", so der CDU-Bundestagsabgeordnete, "aufgrund ihrer besonderen Lage müssen und können diese Männer ihre mit der Anerkennung entstehenden Unterhaltsverpflichtungen für das Kind und selbstverständlich auch für die Mutter nicht tragen. Stattdessen zahlt der Steuerzahler." Eine Handhabe gegen diese "Vaterschaften" gebe es bisher nicht, die rechtliche Anerkennung nicht leiblicher Kinder sei legal. Es sei kein Geheimnis, dass es hierfür regelrechte Tarife gebe: um die 50.000 Euro liege der Lohn für den Scheinvater. Sei die Mutter ausreisepflichtige Ausländerin, sei darüber hinaus mit der Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Mannes das Bleiberecht für Mutter und Kind verbunden. Der CDU-Parlamentarier verweist darauf, dass die Innenministerkonferenz davon ausgehe, dass es in nicht unerheblicher Anzahl zu Vaterschaftsanerkennungen komme, die primär der Vermittlung eben dieses Bleiberechtes dienten. Gehb: "Folgerichtig plädieren die Innenminister dafür, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch bei Vaterschaftsanerkennungen ein befristetes Anfechtungsrecht für einen Träger öffentlicher Belange geschaffen werden soll." Die Union habe deshalb im Herbst des vergangenen Jahres die Bundesregierung aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen, passiert sei jedoch noch nichts.
Einen solchen Handlungsbedarf sieht der Grünen-Abgeordnete Josef Winkler aus mehreren Gründen nicht. Für ihn ist unklar, wie die Union zu der Einschätzung komme, dass die Zahl von Scheinvaterschaften seit 2001 zunehme, denn eine von der Innenministerkonferenz initiierte Erhebung erfasse nur den Zeitraum Frühjahr 2003 bis Frühjahr 2004. Außerdem handele es sich um Verdachts- und nicht um Missbrauchsfälle. "In der Erhebung der Ausländerbehörden wurde nämlich allein die Zahl der Vaterschaftsanerkennungen erfasst, woraus noch lange nicht die Missbrauchsfälle abzulesen sind." Dass es im Gegensatz zu anderen europäischen Rechtsordnungen eine Anfechtungsbefugnis öffentlicher Stellen noch nicht gebe, liege unter anderem auch am reformierten Kindschaftsrecht. Vor dieser Reform, habe auch ein nichteheliches Kind einer Vaterschaftsanerkennung zustimmen müssen, was aber durch das Jugendamt in Amtspflegschaft erfolgt sei. Diese Bevormundung der Mutter durch den Staat habe man jedoch gerade abschaffen wollen. Winkler: "Die Feststellung der sozialen Beziehung kann nicht wie bei einer Scheinehe an einer familiären Lebensgemeinschaft festgemacht werden. Väter kümmern sich heutzutage häufig auch viel um ihre Kinder, ohne mit ihnen zusammen zu wohnen. Ein Abstellen auf die fehlende Bereitschaft des Vaters, für das Kind zu sorgen, würde zu einer Diskriminierung und zu einem Generalverdacht gegen Sozialhilfeempfänger führen." Der Grünen-Politiker wendet sich strikt gegen ein Zurückdrehen der Kindschaftsrechtsreform. Der Gesetzgeber habe bewusst auf eine behördliche Beteiligung bei der Vaterschaftsfeststellung unehelicher Kinder verzichtet und damit die Rechte der Mütter gestärkt: "Staatliche Stellen haben weder bei ehelichen noch bei unehelichen Kindern von Deutschen das Recht, die Vaterschaft des biologischen oder auch des sozialen Vaters in Zweifel zu ziehen. Gleiches muss auch für die Kinder von ausländischen Vätern oder Müttern und binationale Paare gelten."
Auf den erwähnten Bericht der Innenministerkonferenz geht auch Joachim Stünker als rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ein. Die Erhebungen hätten zwar einen hohen Anteil von Fällen ergeben, in denen die Vaterschaftsanerkennung für ein deutsches oder ausländisches Kind mit der Ausreisepflicht der unverheirateten ausländischen Mutter (72 Prozent) zusammengetroffen sei. Mit 83 Prozent sei der Anteil der Vaterschaftsanerkennungen durch deutsche Männer ebenfalls hoch gewesen. Der Bericht räume jedoch ein, dass es sich bei diesen Zahlen nur um ein Indiz handele. Es fehlten Kriterien, anhand derer festgestellt worden sei, ob die Anerkennung "echt" oder nur zur Erlangung von Aufenthaltstiteln beziehungsweise Sozialleistungen vollzogen worden sei. Die Rechtspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion plädierten deshalb dafür, sich mit dem Zahlenmaterial sachlich auseinanderzusetzen. Bei der Reform hätten sie sich mit gutem Grund gegen eine behördliche Beteiligung bei der Vaterschaftsfeststellung entschieden. Joachim Stünker: "Es besteht kein Anlass, diesen Grundsatz unüberlegt über Bord zu werfen. Hinzu kommt, dass die geforderten Änderungen Ausländer und Ausländerinnen betreffen. Zur Begründung einer derartigen Gesetzesänderung muss das Zahlenmaterial besonders belastbar sein." Sollten sich die Befürchtungen jedoch bestätigen, werde sich die SPD-Bundestagsfraktion des Themas annehmen und eine Lösung erarbeiten.
Unter Verweis auf ein nicht gesichertes Datenmaterial lehnt auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Sibylle Laurischk eine Änderung des derzeitigen Kindschaftsrechtes ab. Die Daten der Innenministerkonferenz wiesen nur nach, wie viele ausreisepflichtige Ausländerinnen einen Aufenthaltstitel erhalten hätten, nachdem ein Deutscher die Vaterschaft für ihr Kind anerkannt habe. "Schon hier von vornherein zu unterstellen, dass diesen Vaterschaftsanerkenntnissen nicht auch eine tatsächliche, biologische oder sozial-familiär vermittelte Vaterschaft zugrunde liegt, ist voreilig." Mit der Reform des Kindschaftsrechtes 1998 sei die Rechtsstellung und Verantwortung der nichtehelichen Mutter gestärkt worden. Für Sibylle Laurischk gilt: "Ein ausländerrechtliches Problem mit den Mitteln des Zivilrechtes lösen zu wollen, ist abwegig, da die Auswirkungen auf in der Mehrzahl legal verlaufende Fälle eine überbordende Schnüffelbürokratie bedeuten würde. Vielmehr sollten die ausländerrechtlichen Instrumente voll ausgeschöpft werden, um im Tatsächlichen zu ermitteln, ob die Vaterschaft auch sozial-familiär oder materiell durch Unterhaltszahlungen gelebt wird und damit der Artikel 6 unserer Verfassung tatsächlich einem Verlassen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstünde." Binationale Kinder dürften nicht mit dem Generalverdacht der fehlenden Legitimation belegt werden.