Als ob der nächtliche Krimi nach der schleswig-holsteinischen Landtagswahl im Februar nicht schon spannend genug war - die gescheiterte Wahl von Heide Simonis zur Ministerpräsidentin in Kiel hat das Februar-Ereignis noch einmal getoppt. Vier gescheiterte Wahlgänge brauchte es im Parlament an der Förde, bis die 61-Jährige das Handtuch warf und damit ihren Abgang von der politischen Bühne besiegelte.
Im ersten Wahlgang hatte auch ihr CDU-Herausforderer Peter Harry Carstensen noch eine Stimme weniger bekommen, als CDU und FDP Sitze im Landtag haben, so dass Simonis noch mit 34 zu 33 knapp vorn lag. Allerdings verfehlte sie damit die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit. In allen weiteren Wahlgängen erhielt Carstensen aber dann doch offenbar alle 34 Stimmen von CDU und FDP, so dass es immer wieder zum Patt kam. Irgendwo im brüchigen Bündnis aus SPD, Grünen und dänischer Minderheitspartei SSW saß ein hartnäckiger Heckenschütze, der Simonis viermal hintereinander die Zustimmung verweigerte. Trotz mehrfacher Unterbrechungen der Landtagssitzung, die die SPD-Fraktion dazu nutzte, die eigenen Abgeordneten auf Simonis einzuschwören, gelang es Fraktionschef Lothar Hay nicht, das Blatt wieder zu wenden. "Das ist der Tag des Heckenschützen", stellt er zutiefst enttäuscht fest.
Der Herausforderer der Union, Peter Harry Carstensen, erneuerte im Verlauf der Marathonsitzung mehrfach sein Angebot für eine große Koalition. "Ich habe mich zur Wahl gestellt, um für die SPD die Tür offen zu halten", betonte er - ein Angebot, das die SPD-Fraktion nicht annahm.
"Eine Ära geht zu Ende", fasste der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki das Wahldebakel zusammen. Der Wahltag an der Förde hatte schon mit einem Paukenschlag begonnen, der nichts Gutes ahnen ließ. Die vom SSW tolerierte Minderheitsregierung sei ein "fragiles Bündnis", die frühe Festlegung auf dieses Modell ein Fehler gewesen, hatte Björn Engholm, der Vorgänger von Simonis, einer großen Tageszeitung mitgeteilt. "Die Schnittmengenanalyse mit der CDU" habe seine Partei nicht intensiv genug betrieben. Gut möglich, dass SPD-Landeschef Claus Möller dies demnächst nachholen muss. Ohne Simonis - denn die ließ am Abend des Wahlspektakels erklären, dass sie für einen fünften Wahlgang nicht zur Verfügung steht.
Selbst ihre politischen Kontrahenten in CDU und FDP zeigten sich entsetzt über "die politische Selbstzerstörung, die in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist". Simonis, die immer betonte, dass sie nicht aus dem Amt getragen werden wolle, sondern rechtzeitig den Hut nehme, sei Opfer ihrer eigenen Genossen geworden. Der SSW-Abgeordnete Lars Harms, der zusammen mit der Spitzenfrau des Südschleswigschen Wählerverbandes Anke Spoorendonk der rot-grünen Minderheitsregierung zu einer Stimmenmehrheit im Parlament verhelfen wollte, hob hervor: "Solch einen Abgang hat Simonis nicht verdient, sie hat in den vergangen Jahren viel für unser Land getan."
Seit dem Rücktritt ihres Amtsvorgängers Engholm 1993 saß Simonis auf dem Chef-Sessel an der Kieler Förde, zunächst an der Spitze einer SPD-Alleinregierung. 1996 musste sie dann die "grüne Kröte" schlucken, wie sie damals sagte, sie war auf eine Koalition mit den Grünen angewiesen. Bis kurz vor der Landtagswahl im Februar sah es nach einem erneuten Sieg der SPD aus.
Erst Ende April wird sich entscheiden, wie es an der Förde weitergeht. Bis dahin bleibt die amtierende Regierung geschäftsführend im Amt. Möglich, dass Peter Harry Carstensen, der sich nach der Landtagswahl schon kurzfristig als Sieger feiern ließ, dann doch noch auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein Platz nehmen kann.