Experten bewerten Mitwirkungsrechte der Opposition unterschiedlich
Schmidt-Jortzig: Vorschläge durchaus interessant
Professor Edzard Schmidt-Jortzig von der Universität Kiel bezeichnete die Vorschläge zur Änderung der Normenkontrolle als "durchaus interessant". Unter den derzeitigen Bedingungen sei es der Opposition nicht möglich durchzusetzen, dass verfassungsändernde Gesetze dem Bundesverfassungsgericht zur Kontrolle vorzulegen seien. Das für die Klagebefugnis erforderliche Drittel der Bundestagsmitglieder werde bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen nicht erreicht. Dieses grundsätzliche Manko des Systems, so Schmidt-Jortzig, sollte verändert werden.
Klein: Situative Anpassung von Grundgesetz nicht ratsam
Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Hans H. Klein, hält eine situative Anpassung von Grundgesetz und Geschäftsordnung an die jeweils aktuellen Mehrheitsverhältnisse für nicht ratsam und dem Ansehen des Parlaments nicht dienlich. Es seien allenfalls solche Änderungen zu erwägen, die in allen vorstellbaren Lagen sinnvoll erscheinen. Derartige Vorschläge könne er in den Vorlagen jedoch nicht erkennen.
Havemann: Parlament zu mehr Lebendigkeit verhelfen
Florian Havemann, Verfassungsrichter im Land Brandenburg, sieht keine verfassungsrechtlichen Gründe, die gegen die Umsetzung der Vorlagen sprächen. Es sei durchaus sinnvoll, die Hürden für die Inkraftsetzung eines Normenkontrollverfahrens abzusenken. Der immer wieder dagegen eingebrachte Vorwand, dies würde zu einer Überlastung des Bundesverfassungsgerichts führen, schlage verfassungsrechtlich nicht durch. Vielmehr könne man dadurch dem Parlament zu mehr Lebendigkeit verhelfen.
Zeh: Langfristige Stabilität sichern
Auch Professor Wolfgang Zeh, ehemaliger Direktor beim Deutschen Bundestag, sieht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vorgeschlagene Absenkung des erforderlichen Quorums. Es sei allerdings auch im Interesse von Minderheiten wichtig, langfristige Stabilität für das parlamentarische Verfahren zu sichern.
Preuß: Balancierendes Gegengewicht hinzufügen
Im Interesse der parlamentarischen Kontrolle, so Professor Ulrich K. Preuß von der Hertie School of Governance in Berlin, müsse der Machtsteigerung der Mehrheit ein balancierendes Gegengewicht hinzugefügt werden. Minderheitenrechte als Machtbegrenzung dienten daher der Steigerung der Leistungsfähigkeit des politischen Systems insgesamt.
Kretschmer: Deutsche Minderheitenrechte sehr ausgeprägt
Gerald Kretschmer, Ministerialrat a. D., sprach sich nach Abwägung von Vor- und Nachteilen gegen die vorgeschlagenen Änderungen aus. Er forderte, langfristig Stabilität zu wahren. Im Übrigen seien die deutschen Regelungen der Minderheitenrechte im internationalen Vergleich sehr ausgeprägt.
Wieland: An Spielregeln festhalten
Auch Professor Joachim Wieland von der Universität Frankfurt am Main sprach sich für die Beibehaltung der Kontinuität im parlamentarischen Verfahren aus. Man habe Spielregeln aufgestellt, an denen man unabhängig von den aktuellen Mehrheitsverhältnissen festhalten müsse. In einer Demokratie herrsche nun einmal die Mehrheit, so Wieland.
Weitere Informationen
Bundestagsdrucksachen zum Thema
- Gesetzentwurf der FDP-Fraktion: Sicherung der Oppositionsrechte (Änderung des Artikels 93 Abs. 1 des Grundgesetzes) (Drucksache 16/126)
- Antrag der Fraktion DIE LINKE.: Stärkung der Minderheitenrechte im Deutschen Bundestag (Drucksache 16/4119)
- Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lebendige Demokratie in Zeiten der großen Koalition (Drucksache 16/581)