"Das Verhältnis zu Struck hat nicht gelitten"
Auch nach den umstrittenen Wahlkampfäußerungen des
SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck (SPD) bezeichnet
Unionsfraktionschef Volker Kauder das Verhältnis zu seinem
Amtskollegen als „freundschaftlich entspannt“. In einem
Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“
(Erscheinungstag 21. Januar) sagte er, die Sacharbeit im Parlament
gehe trotz der Landtagswahlkämpfe ganz normal weiter.
In dem Gespräch sprach sich Kauder auch gegen
Nachbesserungen bei der Riester-Rente aus. „Die
zusätzliche Altersvorsorge hat sich bewährt“, sagte
der Fraktionsvorsitzende. Wer heute eine Riester-Rente
abschließe, könne noch gar nicht wissen, ob er zu einem
späteren Zeitpunkt Hartz-IV-Empfänger ist. Er halte es
deshalb „für abenteuerlich, Geringverdienern zu sagen,
für sie lohne sich die Riester-Rente nicht“.
Das Interview im Wortlaut:
Das Parlament: Herr Kauder, wie würden Sie Ihr derzeitiges
Verhältnis zu SPD-Fraktionschef Peter Struck
charakterisieren?
Kauder: Freundschaftlich entspannt. Wir wissen, dass wir in der Großen Koalition eine wichtige Aufgabe haben.
Ihr Verhältnis, das lange als ein Pfeiler der Großen
Koalition galt, hat also in der jüngsten Zeit nicht
gelitten?
Das Verhältnis hat nicht gelitten. Aber: Gerade wir als Spitzenpolitiker der Großen Koalition tragen eine Verantwortung dafür, wie die Menschen Politiker wahrnehmen. Ich habe schon den Eindruck, dass die Wortgefechte der letzten Tage das Vertrauen in die Politiker nicht gerade fördern. Wir sollten uns also darum bemühen, so miteinander umzugehen, dass die Menschen den Unterschied in der Sache erkennen, aber noch immer wissen, dass man zivilisiert miteinander spricht und nicht mit Sätzen, für die Kinder gerügt würden.
Muss sich Peter Struck für einige seiner Äußerungen
entschuldigen?
Mit meiner vorherigen Antwort ist die Sache erledigt.
War der Auftritt von Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz
vergangene Woche die Notbremse für eine Debatte, die aus dem
Ruder zu laufen drohte?
Es war richtig, dass Angela Merkel zum Start des neuen Jahres darauf hingewiesen hat, was diese Große Koalition noch zu leisten hat, dass bei allen Erfolgen wir unsere Ziele noch nicht erreicht haben und dass wir vor allem bei der Haushaltskonsolidierung noch nicht über dem Berg sind.
Wird die Unions-Fraktion eine eigene Gesetzesinitiative zum
Jugendstrafrecht auf den Weg bringen, nachdem die SPD kurzfristige
Verhandlungen über eine Verschärfung abgelehnt
hat?
Wir werden die SPD nach den Landtagswahlkämpfen wieder mit dem Thema konfrontieren. Denn das war für uns kein Wahlkampfgag, sondern wir beschäftigen uns mit diesen Problemen schon seit Jahren. Es muss eine klare Botschaft an gewalttätige junge Menschen ausgehen: So können wir uns in diesem Land nicht verhalten, und die Gesellschaft reagiert und wehrt sich auch.
Statt mit dem Koalitionspartner hat sich die Union vor ein paar
Tagen mit der FDP zusammengesetzt. Engagieren Sie sich da in Sachen
Klimapflege nicht an der falschen Stelle?
Wir haben in der Großen Koalition genügend Vorhaben, die das Land voranbringen. Aber Große Koalitionen sollten in einer Demokratie die Ausnahme sein, und deswegen ist es wichtig, dass man über andere Konstellationen nachdenkt und mit Parteien über andere Konstellationen spricht.
Neben klimatischen Spannungen gibt es in der Koalition auch
handfeste inhaltliche Differenzen – ein Stichwort ist der
Niedriglohnbereich. Wie wollen Sie da zu Ergebnissen
kommen?
Trotz der Landtagswahlkämpfe geht die Sacharbeit ganz normal weiter. Die Vorbereitungen für Änderungen am Arbeitnehmerentsendegesetz und für das Mindestarbeitsbedingungsgesetz laufen. Außerdem werden wir in einer Klausurtagung der Koalitionsspitzen auch Gesetze beschließen, die für mehr Arbeit sorgen werden. Wir werden zum Beispiel den Ausbau des Haushalts als Arbeitgeber vorantreiben.
Was genau planen Sie?
Da geht es beispielsweise darum, in welchem Umfang Aufwendungen für Angestellte im Haushalt von der Steuer abgesetzt werden können. Es muss doch dem Staat egal sein, ob jemand einen Arbeitnehmer in seiner Wurstbude am Marktplatz einstellt, oder ob er jemanden zu Hause beschäftigt. Deswegen will ich, dass wir in einer Größenordnung von etwa 10.000 Euro Aufwendungen von der Steuer absetzen können.
Beim Thema Mindestarbeitsbedingungsgesetz hat die Kanzlerin
Diskussionsbedarf angekündigt. An welchen Punkten muss es
Änderungen geben?
Diskussionsbedarf haben wir etwa bei der Frage, welcher der Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden soll, wenn es mehrere Tarifverträge gibt. Dafür haben wir im Koalitionsausschuss vereinbart, Kriterien zu entwickeln, und diese Kriterien werden jetzt natürlich noch diskutiert. Es kann auf keinen Fall so sein, dass regelmäßig der Tarifvertrag der DGB-Gewerkschaften für allgemeinverbindlich erklärt wird.
Plant der Arbeitsminister aus Ihrer Sicht den Mindestlohn für
alle?
Vielleicht hat der Arbeitsminister die Backen ein bisschen dick aufgeblasen. Es ist völlig klar, dass in das Entsendegesetz nur diejenigen Branchen aufgenommen werden, wo dies Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam wollen und wo eine Tarifbindung von über 50 Prozent vorliegt. Welche Branchen das sind, kann der Arbeitsminister jetzt noch gar nicht sagen. Deswegen könnte er sich wundern, dass es auch nach der Änderung des Arbeitnehmerentsendegesetzes noch eine Menge Branchen gibt, die gar keinen Mindestlohn wollen, wir wissen das beispielsweise vom Maschinenbau.
Zwist gibt es auch bei der geplanten Erbschaftsteuerreform. Wie
wollen Sie sich hier einigen?
Unsere Gespräche sind auf gutem Weg. Wichtig wird sein, dass wir in einer sich schnell verändernden wirtschaftlichen Welt Betriebe in ihrer Flexibilität nicht einengen.
In Hamburg könnte es nach der Wahl am 24. Februar zu einer
ersten schwarz-grünen Landesregierung kommen. Was halten Sie
von so einer Koalition?
Ich unterstütze Ole von Beust, dass er wieder seine absolute Mehrheit bekommt. Er selbst hat gesagt, er kämpfe für eine Koalition mit dem Bürger. Darin unterstütze ich ihn ausdrücklich.
Einen Versuch wollen wir trotzdem noch machen. Für wie
wahrscheinlich halten Sie Rot-Rot-Grün in Hessen? Und welche
Auswirkungen hätte ein solches Bündnis für die
Große Koalition im Bund?
Ich würde es für fatal halten, wenn die Nachfolger derjenigen, die für Schießbefehl und Mauer verantwortlich sind, auch noch in westdeutsche Parlamente einziehen würden. Ich bin zuversichtlich, dass Roland Koch und Christian Wulff auch nach den Wahlen Ministerpräsidenten bleiben. Deshalb muss ich mich mit dieser Frage auch nicht beschäftigen.
Einige Sachverständige haben Änderungen bei der
Riester-Rente gefordert. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Die zusätzliche Altersvorsorge hat sich bewährt. Wer heute eine Riester-Rente abschließt, kann doch gar nicht wissen, ob er zu einem späteren Zeitpunkt Hartz-IV-Empfänger ist. Deshalb halte ich es für abenteuerlich, Geringverdienern zu sagen, für sie lohne sich die Riester-Rente nicht. Wir müssen deshalb an der Riester-Rente auch nichts ändern.
Ein anderes Thema, das die Öffentlichkeit zurzeit
beschäftigt, ist die Drohung von Bahnchef Mehdorn, die
Einigung mit den Lokführern würde Jobs kosten und die
Tickets verteuern. Welche Wirkungen auf die Tarifautonomie haben
solche Reaktionen?
Es stimmt, dass Lohnerhöhungen Kosten für ein Unternehmen sind, die nicht einfach in der Sonne weggedampft werden können. Allerdings waren seine Äußerungen und auch der Zeitpunkt nicht gerade glücklich.
Abschließende Frage: Würden Sie eine zweite Amtszeit von
Horst Köhler als Bundespräsident
begrüßen?
Der Bundespräsident hat erklärt, dass er sich ein Jahr vor der Wiederwahl äußern wird. Vor dieser Erklärung halte ich jede Diskussion für völlig unnötig. Allerdings finde ich, dass wir einen sehr guten Bundespräsidenten haben.
Das Interview führten Claudia Heine und Monika Pilath.