Experten fordern Standards für Import von Biokraftstoffen
Im Zusammenhang mit der rasant wachsenden Nachfrage nach
Biomasse als Energieträger steht die Landwirtschaft weltweit
vor neuen Herausforderungen. Dies war für die drei
Fachausschüsse für Entwicklungszusammenarbeit,
Landwirtschaft und Umwelt am Mittwoch, dem 20. Februar 2008, Anlass
für eine öffentliche Anhörung zum Thema "Biomasse -
Chancen und Risiken für globalen Klimaschutz, biologische
Vielfalt, Ernährungs- und Versorgungssicherheit sowie
Armutsbekämpfung".
Landwirtschaft stößt an ihre Grenzen
Nach Prognosen der Welternährungsorganisation (FAO) wird die
Weltbevölkerung bis 2050 um drei Milliarden Menschen wachsen.
Der Zuwachs werde in den Entwicklungsländern stattfinden und
zu 90 Prozent städtische Gebiete betreffen. Gleichzeitig sei
mit veränderten Konsumgewohnheiten zu rechnen - hin zu mehr
Fleischnachfrage. Diese Entwicklung werfe neue Fragen auf, wie bei
gleichzeitigem Mehrbedarf an Energie die Nahrungsmittelsicherheit
gewährleistet werden kann, sagte Alexander
Müller von der FAO. Die Landwirtschaft werde laut
Müller an die Grenzen der Verfügbarkeit von Land und
Wasser stoßen. So steige der Wasserverbrauch bei der
Fleischproduktion um ein Vielfaches im Vergleich zur
Pflanzenproduktion. Um ein Kilogramm Rindfleisch herzustellen,
seien 15.000 Liter Wasser nötig, so Müller, der eine
internationale Bioenergiecharta forderte.
Suche nach ökologisch effizienten Lösungen
Müllers Ausführungen unterstützte auch
Jürgen Maier vom Forum Umwelt &
Entwicklung. Zugleich äußerte er "grundsätzliche
Bedenken" gegen die Zertifizierung von Biokraftstoffen. Freiwillige
Standards seien keine Lösung. Nötig seien politische
Vorgaben, die eine ökologische und soziale Regulierung der
Bioenergienutzung fördern. So sollte die nachhaltigste und
effizienteste Verwendung am stärksten unterstützt werden.
Wenig Sinn mache etwa, wenn die EU-Richtlinie, wonach zehn Prozent
des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor durch erneuerbare
Energien erbracht werden sollen, vor allem durch den Einsatz von
Biodiesel oder Ethanol erfüllt werde. Es gebe ökologisch
viel effizientere Lösungen.
Neuregelungen zum Biokraftstoff bedrohen Regenwälder
Scharfe Kritik übte Georg Gruber vom
Bundesverband Pflanzenöle an dem Biokraftstoffquotengesetz,
das die Beimengung von Biokraftstoffen vorsieht. Dieses Gesetz
werde zum Problem für den Regenwald und die Artenvielfalt, so
Gruber. Es übe großen Druck auf die
Flächenmärkte aus. Die gewaltigen Gewinne, die sich
derzeit damit erwirtschaften ließen, lockten Banken und
Großinvestoren an, was wiederum die Entstehung von
Monokulturen begünstige und zu sozialen Konflikten in den
Entwicklungsländern führe. Die handwerklichen Fehler in
der Gesetzgebung seien nicht durch die Zertifizierung in den Griff
zu bekommen.
Import von Biosprit "sinnlos"
Norbert Rieder vom Zoologischen Institut der
Universität Karlsruhe bezeichnete den Import von
Biokraftstoffen als "ökonomischen und ökologischen
Blödsinn". Es mache keinen Sinn, Biokraftstoffe aus Indonesien
zu importieren, wenn in dortigen Motoren fossile Kraftstoffe zum
Einsatz kämen. Mindestens ein Transportweg sei hier
überflüssig und für die CO2-Bilanz negativ. Die
Beimengungspolitik nannte Rieder scheinheilig. In der Frage der
Standards für die Artenvielfalt mahnte Rieder: "Was wir
weltweit fordern, müssen wir auch in Deutschland tun." Ein
Zertifizierungssystem sei notwendig, es müsse aber praktikabel
sein und deswegen nur die notwendigsten Punkte enthalten wie
Nachhaltigkeit der Produktion, Teilhabe der Bevölkerung in den
Entwicklungsländern an den Kapitalerträgen, Klimaschutz
und Erhalt der Artenvielfalt.
International verbindliche Standards vereinbaren
Auch Uwe Fritsche vom Institut für
angewandte Ökologie forderte verbindliche
Nachhaltigkeitskriterien. Sie müssten aber unbedingt von
bilateralen und projektbezogenen Vereinbarungen flankiert werden.
Kurzfristig sollten internationale verpflichtende Standards
vereinbart werden. Martin Faulstich vom
Sachverständigenrat für Umweltfragen sprach sich für
stärkere Nutzung und Förderung von Biomasse bei der
Erzeugung von Wärme und Strom, statt für die Produktion
von Biodiesel oder Ethanol aus, weil dies deutlich effizienter
sei.
Beispiel: Brasilianisches Biodieselprogramm
Arnoldo Campos vom brasilianischen
Agrarentwicklungsministerium stellte das brasilianische
Biodieselprogramm vor. Es fördere gezielt Kleinbetriebe, die
etwa 30 Prozent der Produktion lieferten. Die Regierung
fördere auch besonders arme Regionen des Landes. Darüber
hinaus habe Brasilien seit 2003 große Anstrengungen
unternommen, um die Abholzung der Regenwälder zu verringern.
Sie wolle auch Schluss machen mit der illegalen
Abholzung.
Indonesien: Palmölplantagen auf Urwaldböden
Die illegale Abholzung sei auch ein riesiges Problem in
Indonesien, beklagte Willie Smits von der
deutschen Sektion der Borneo Orangutan Survival Foundation, einer Organisation zum Schutz der
vom Aussterben bedrohten Affen. 80 Prozent der indonesischen
Palmölplantagen würden auf Urwaldböden etabliert,
obwohl diese Böden dafür nicht geeignet seien und es
bessere Alternativen gäbe. Es gehe aber primär um Gewinne
der Holzwirtschaft.
Sachverständigenliste
- Arnoldo Campos, Argrarentwicklungsministerium Brasilien
- Prof. Dr. Martin Faulstich, Sachverständigenrat für Umweltfragen
- Willie Smits, The Borneo Orangutan Survival Foundation - BOS Deutschland e.V.
- Alexander Müller, FAO Headquarters
- Steven Wonink, Ministerium für Wohnungswesen, Raumordnung und Umwelt, Niederlande
- Uwe Fritsche, Öko-Institut (Institut für angewandte Ökologie e.V.)
- Prof. Dr. Norbert Rieder, Zoologisches Institut I der Universität Karlsruhe (TH)
- Jürgen Maier, Forum Entwicklung und Umwelt
- Georg Gruber, Bundesverband Pflanzenöle e.V. (BVP)