Zeuge weist "Unterstellungen" gegen BKA zurück
Der Europasaal im Paul-Löbe-Haus: Hier tagt der 1. Untersuchungsausschuss.
© dpa
Als "Unterstellung" wies Manfred Klink am Donnerstag, dem 21. Februar 2008, vor dem Untersuchungsausschuss mehrfach Verdächtigungen und Thesen zurück, hiesige Sicherheitsbehörden hätten Mohammed Haydar Zammar im Herbst 2001 zielgerichtet nach Marokko ausreisen lassen, damit er dort von US-Diensten festgenommen werden könne. Der inzwischen pensionierte Klink leitete nach den Attentaten von New York die vom Bundeskriminalamt (BKA) eingesetzte Sonderermittlungsgruppe.
Der 1. Untersuchungsausschuss recherchiert, ob die deutsche
Regierung und hiesige Stellen mitverantwortlich sind für die
von den USA
organisierte und rechtswidrige Verschleppung des Deutsch-Syrers von
Marokko nach Damaskus, wo er bis heute in einem im Ruf der Folter
stehenden Gefängnis einsitzt.
Unzureichende Beweise gegen Zammar
Klink erklärte, die Erkenntnisse, die im Rahmen eines gegen
den als "aktiven Gefährder" eingeschätzten Deutsch-Syrer
laufenden Ermittlungsverfahrens zutage getretenen seien,
hätten nicht für einen Haftbefehl ausgereicht. Zudem habe
die Generalbundesanwaltschaft entschieden, dem Verdächtigen
die Ausstellung eines neuen Reisepasses nicht zu verweigern. In
dieser Situation sei es darum gegangen, so das ehemalige Mitglied
der BKA-Amtsleitung, Zammar weiter zu observieren, in Marokko unter
Mithilfe der dortigen Behörden.
Keine Anhaltspunkte für Verschleppung
Zammar sei in das Netzwerk Al-Qaida eingebunden gewesen, betonte
Klink. Er habe sich einmal sogar als Leibwächter Osama
Bin-Ladens angedient, wenn auch vergeblich. Im Blick auf eine
Mitwirkung Zammars an den Anschlägen von New York sei die
Verdachtslage jedoch schwächer. Der Zeuge erläuterte, man
habe das FBI
über die hiesigen Erkenntnisse über den Deutsch-Syrer und
auch über dessen Reisepläne Richtung Marokko
unterrichtet. Das BKA sei davon ausgegangen, dass Zammar wieder
nach Deutschland zurückkehren werde. Es hätten keine
Anhaltspunkte existiert, so Klink, dass die USA die Informationen
für eine Verschleppungsaktion nutzen könnten.
Spur in Marokko verloren
Man habe nicht die Gefahr gesehen, dass Zammar in Marokko "etwas
Schlimmes" passieren könne, antwortete Klink auf eine
entsprechende Frage von SPD-Obmann Michael
Hartmann. Dem Zeugen zufolge blieben nach dem Verschwinden
des Deutsch-Syrers im Dezember 2001 alle
Aufklärungsbemühungen des BKA bis Juni 2002 erfolglos. So
hätten die Marokkaner erklärt, Zammar sei mehrfach
vernommen worden und dann Richtung Spanien ausgereist. Das sei
"gelogen" gewesen, so Klink vor dem Ausschuss. Auch von Seiten der
USA sei bis zum Frühsommer 2002 zu hören gewesen, man
"wisse nichts". Bis heute sei unklar, wie der Deutsch-Syrer nach
Damaskus gelangt sei.
Verschleppung möglicherweise gebilligt
Vertreter der Opposition im 1.
Untersuchungsausschuss führten Indizien ins Feld, die aus
ihrer Sicht den Verdacht stützen, man habe Zammar bewusst nach
Marokko fliegen lassen. Dabei sei es nicht darum gegangen, so
Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die
Grünen), den Deutsch-Syrer etwa einer Folter
auszuliefern. Doch müsse geprüft werden, ob man
"leichtfertig oder billigend" in Kauf genommen habe, dass sich
US-Stellen in Marokko um Zammar kümmerten.
Gemeinsame Aktion der Sicherheitsbehörden vermutet
Norman Paech (Linksfraktion) fragte, warum dem
"aktiven Gefährder" trotz schwerer Verdachtsmomente ein neuer
Pass ausgestellt worden sei: Bei Fußball-Hooligans und G-8-Protestlern sei man damit sehr
schnell zur Hand. Der Abgeordnete Wieland
erwähnte einen Medienbericht, in dem ein namentlich nicht
genannter hoher Sicherheitsbeamter dahingehend zitiert wird, bei
Zammars Verhaftung in Marokko handele es sich um eine gemeinsame
Aktion von deutschen und US-Sicherheitsbehörden.
Zammar auf freiwilliger Basis befragt
All diese Vorhaltungen wies der Zeuge zurück. Für das Verhör Zammars durch Beamte des BND, des Verfassungsschutzes und des BKA Im November 2002 im syrischen Gefängnis galt laut Klink die Richtschnur, diese Befragung nur auf freiwilliger Basis seitens des Inhaftierten vorzunehmen und abzubrechen, sofern bei Zammar eine "Zwangs- oder Drucksituation" offenbar werde. Der FDP-Abgeordnete Max Stadler erklärte dazu, allein schon aufgrund der Verschleppung könne sich der Deutsch-Syrer in einer Zwangslage befinden.
Zeugenvernehmungen von:
- Frau Birgit Wolter, ehem. Bezirksamt Hamburg Nord
- Herr PHK Matthias Bölling, Bundespolizei
- Manfred Klink, Bundeskriminalamt
- Frau Daniela Schlegel, Auswärtiges Amt
- Herr Dr. Gerhard Westdickenberg, Auswärtiges Amt
- Herr M., Bundesnachrichtendienst