Experten kritisieren Forschungsdefizit bei Onlinesucht
Immer mehr Menschen erkranken an Onlinesucht. Schon heute gebe
es zwei Millionen Onlinesüchtige in Deutschland,
bestätigte Gabriele Farke, Initiatorin und
Vorstandsvorsitzende des Vereins Hilfe zur Selbsthilfe für
Onlinesüchtige (HSO). Forschung sowie Heilungsangebote in
Deutschland müssten verbessert werden, darin waren sich die
Sachverständigen bei einer Anhörung des Ausschusses
für Kultur und Medien am Mittwoch, dem 9. April 2008,
einig.
Dringender Forschungsbedarf
Grundlage der Anhörung war ein Antrag ( 16/7836) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der die Unterstützung der Forschung und den Ausbau von Beratungs- und Therapiemöglichkeiten fordert.
Raphael Gaßmann, von der Deutschen
Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) wies auf das
Forschungsdefizit hin und erklärte: "Wir ahnen sehr viel und
wir wissen sehr wenig". Es bestehe ein "extrem dringlicher
Forschungsbedarf" in diesem Bereich.
Unerklärliches Suchtpotenzial
Auch Professor Henning Scheich vom Leibniz-Institut für Neurobiologie kritisierte den Stand der Forschung. So sei zum Beispiel unklar, weshalb die illusionären sozialen Situationen eines Onlinespiels ein so starkes Suchtpotenzial auf junge Menschen ausübten. Erst durch psychologische Experimente könne man mehr über Auslöser und Gefahren der Sucht erfahren.
Der Forschungstand in asiatischen Ländern sei zwar weiter
voran geschritten als in Deutschland, Ergebnisse könnten aber
nicht ohne weiteres übernommen werden, erklärte
Professorin Angela Schorr, Direktorin der
Deutschen Gesellschaft für Medienwirkungsforschung. "Jedes
Land hat je nach Medien-Mix unterschiedliche Phänomene", sagte
sie. Deshalb müsse eine eigenständige deutsche Forschung
entstehen.
Störungsbild anerkennen
Professor Hartmut Warkus vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig sieht zwar die interdisziplinäre Forschung als entscheidend in diesem Bereich an, man solle aber bei der Pädagogik beginnen.
"Grundsätzlich ist es so, dass das Störungsbild anerkannt werden müsste", forderte der Psychologe Klaus Wölfing von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Nur eine Anerkennung durch die World Health Organisation (WHO) und den Staat würde zu einer Veränderung der Sachlage führen und die Finanzierung der Behandlung durch Krankenkassen ermöglichen.
Liste der Sachverständigen
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Gabriele Farke, Verein Hilfe zur Selbsthilfe für Onlinesüchtige, Buxtehude
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Dr. Ralph Gassmann, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Hamm
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Dipl.-Psych. Despina Papadimitratou, Vivantes Humboldt-Klinikum, Berlin
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Prof. Dr. Henning Scheich, Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg
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Prof. Dr. Angela Schorr, Deutsche Gesellschaft für Medienwirkungsforschung, Siegen
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Prof. Dr. Hartmut Warkus, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, Universität Leipzig
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Dipl.-Psych. Klaus Wölfling, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz