Expertenkritik am neuen Verbraucherinsolvenzverfahren
Leere Taschen? Allein im Jahr 2006 wurden deutschlandweit über 150.000 Insolvenzverfahren bearbeitet.
© dpa - Report
Deutliche Kritik einiger Sachverständiger gab es am
Mittwoch, dem 9. April 2008, bei einer Anhörung von
Sachverständigen über den Gesetzentwurf der
Bundesregierung für ein neues Verbraucherinsolvenzverfahren (
16/7416). Nach Angaben der Regierung ist
vorgesehen, dass auf das bislang notwendige zeit- und
kostenintensive gerichtliche Insolvenzverfahren verzichtet werden
soll, wenn bereits nach der vorläufigen Prüfung durch
einen Treuhänder feststeht, dass der Schuldner völlig
mittellos ist. Um einen Missbrauch zu verhindern, ist eine
Stärkung der Gläubigerrechte geplant.
Widersprüchlicher Entwurf
Es gebe eine "unglaubliche Vielzahl von Widersprüchen in
dem Gesetzentwurf", so Professor Hans Haarmeyer
von der Fachhochschule Koblenz. Die vorliegende Fassung sei
weitgehend "nicht geglückt". Die vornehmlich fiskalisch
begründete Reformnotwendigkeit bestehe nicht. Eine solide
Feststellung tatsächlicher Belastungen sei frühestens
Ende 2009 möglich. Bis zum heutigen Tag vorliegende Erhebungen
widerlegten eine angeblich unzumutbare Kostenbelastung
vollständig. Der Entwurf führe zudem zu massiven
bürokratischen und personellen Erschwernissen, ohne auch nur
ansatzweise materielle Verbesserungen oder gar Erleichterungen
für die Abwicklung des Verfahrens mit sich zu bringen. Die
geplante Novellierung bewirke zudem eine erhebliche Schwächung
der Gläubigerrechte.
Mangelnde Rücksprache mit der Praxis
Wie zuvor schon Haarmeyer wies Frank Frind,
Richter am Amtsgericht Hamburg, darauf hin, es gebe neun laufende
Gesetzesänderungsvorhaben zur Insolvenzordnung. Diese
würden vom Bundesjustizministerium offenbar nicht aufeinander
abgestimmt. Die insolvenzgerichtliche Praxis könne dieser Flut
von Gesetzesänderungen in der täglichen Arbeit nicht mehr
bewältigen - eine funktionierende Insolvenzordnung werde so
"kaputt reformiert". Es gebe offenbar "überhaupt keine
Rücksprache mit der Praxis", so Frind.
Zielrichtung unklar
Oliver Liersch, Rechtsanwalt für
Insolvenzrecht aus Hannover, war der Meinung, mit dem Inkrafttreten
der Insolvenzordnung 1999 sei nach langer Diskussion ein
einheitliches und bis heute in seiner Grundstruktur unbestritten
gutes Recht geschaffen worden. Inzwischen habe es seit 1999 eine
Vielzahl von Änderungsgesetzen zur Insolvenzordnung gegeben,
weitere Entwürfe lägen noch vor. Auch Liersch war der
Meinung, dass die Zielrichtung vieler dieser Änderungen
untereinander wenig abgestimmt sei. Der Rechtsausschuss habe die
Aufgabe, die verschiedenen Zielsetzungen von
Änderungswünschen stärker zu bündeln, so
Liersch.
Nicht zum Nulltarif zu haben
Professor Heinz Vallender, Richter am
Amtsgericht Köln, begrüßte dagegen die Initiative
der Bundesregierung in der vorgesehenen Grundkonzeption. Sie
verzichte auf ein Insolvenzverfahren, das mit erheblichem Aufwand
verbunden sei. Stattdessen sehe der Entwurf bei mittellosen
Schuldnern ein Entschuldungsverfahren vor. Auch dieses Verfahren,
so Vallender einschränkend, werde jedoch für den Fiskus
nicht zum "Nulltarif" zu haben sein. Zur Deckung der Kosten des
Verfahrens sagte der Experte, Rechtpfleger und auch Verwalter
hätten übereinstimmend berichtet, dass es nicht wenigen
Schuldnern gelungen sei, im Lauf des Verfahrens aus dem
pfändbaren Einkommen oder auf Grund von sonstigen
Geldzuflüssen zumindest einen Teil der Verfahrenskosten
aufzubringen.
Kosten sparen
Professor Hugo Grote (ebenfalls Fachhochschule Koblenz) begrüßte die vorgesehenen Änderungen im Wesentlichen. Einem Großteil der gemachten Vorschläge liege das Bedürfnis zu Grunde, Kosten in den Länderjustizhaushalten einzusparen. Dies solle insbesondere durch eine Kostenbeteiligung der Schuldner und durch Vereinfachungen des Verfahrens ohne Geldmittel geschehen.