"Demokraten dürfen nicht still in der Ecke sitzen"
Wo fängt Demokratie an? Dieser Frage gingen 40 Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten eine Woche lang in Berlin nach. Zum siebten Mal hatten der Deutsche Bundestag, die Bundeszentrale für politische Bildung und "Jugendpresse Deutschland", der Bundesverband junger Medienmacher, für eine Woche zum Jugendmedienworkshop in die Hauptstadt eingeladen.
Den 16- bis 20-jährigen jungen Medienmacher wurde ein
abwechslungsreiches Programm geboten mit Recherche-Streifzügen
und Expertengesprächen, Begegnungen mit Abgeordneten, Besuchen
in Zeitungs- und Rundfunkredaktionen. Zum Abschluss diskutierten
sie am Freitag, dem 28. November, 2008, mit
Bundestagsvizepräsidentin Dr. Susanne Kastner (SPD) und dem
Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung,
Dr. Thomas Krüger.
"Jetzt muss was passieren"
Wo fängt nun Demokratie an? Freiheit, Wahlen, Toleranz, Partizipation, Gleichheit, Gleichberechtigung – nachdem Schlagworte genannt waren, wurden die Schüler konkret. Zum Beispiel das Thema Integration: "In der Türkei bin ich Deutsche, hier bin ich Türkin", sagte eine türkischstämmige Teilnehmerin und, an die Vizepräsidentin gewandt: "Wenn ich mich integrieren will, müssen Sie, Frau Kastner, mir helfen!"
Seit einem halben Jahrhundert gibt es Migranten in Deutschland, so
die Teilnehmerin: "Wenn so wenige Fortschritte gemacht wurden, ist
das falsche Politik. Jetzt muss was passieren!"
Integration als Zweibahnstraße
Susanne Kastner stimmte dem zu: "Integration hat mit aktivem Handeln zu tun." Nur tolerant zu sein, führe zu Ignoranz, und das sei nicht gut. Und Thomas Krüger ergänzte: "Integration ist eine Zweibahnstraße, man muss aufeinander zugehen."
Die Vizepräsidentin beklagte, dass so wenig über
Demokratie gewusst wird, etwa weil es ab der zehnten Klasse nur
noch eine Stunde Sozialkundeunterricht gebe. Dies führte zur
Frage, wie die Jugendlichen zur Mitarbeit in Parteien stehen.
Jugendlichen die Mitarbeit an Projekten anbieten
Ein Teilnehmer sagte: "Man muss die jungen Leute mit konkreten Projekten ins Boot holen, ohne ihnen gleich einen Mitgliedsausweis aufzudrücken." Dem hielt eine Nachwuchsjournalistin entgegen: "Ich bin seit fünf Jahren in der Jugendorganisation einer Partei. Auch dort gibt es Aktionen, werden Projekte durchgeführt."
Eine andere Teilnehmerin meinte: "Die Motivation, in eine Partei zu
gehen, hat sich gewandelt. Man muss sich hundertprozentig mit der
Politik der Partei identifizieren. Das kann ich nicht." Dies
stieß jedoch auf Widerspruch: "Man muss nicht mit allem
einverstanden sein, was die da oben beschließen. Das geht
überhaupt nicht."
Andere sagten: "Die Leute glauben, sie können nichts tun, sie
werden nicht gehört." Und: "Die Parteien ähneln sich so.
Die Parteiprogramme sind unklar formuliert. Man kann nicht alles
verstehen."
Den Wahl-o-mat nutzen
Thomas Krüger räumte ein, dass Parteiprogramme ein "Selbstverständigungsdiskurs" innerhalb der Parteien seien. Er riet den Jugendlichen: "Nutzt den Wahl-o-mat der Bundeszentrale für politische Bildung" (www.wahl-o-mat.de). Dort könne man herausfinden, wie sich die Parteien inhaltlich unterscheiden. Im Übrigen sei die lebendige Auseinandersetzung innerhalb der Parteien ein Stück Demokratie.
Susanne Kastner wünschte sich von den jungen Journalistinnen
und Journalisten, dass sie ihre Erlebnisse während des
Jugendmedienworkshops weitergeben. "Deutschland lebt von
Demokraten. Die dürfen nicht still in der Ecke sitzen."