Kontroverse um die Zeitwert-Bewertung
Kontrovers beurteilt haben Experten bei einer Anhörung des Rechtsausschusses zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ( 16/10067) am Mittwoch, dem 17. Dezember 2008, vor allem die Einführung einer Zeitwert-Bewertung bestimmter Finanzinstrumente (angelehnt an die so genannte "Fair-Value-Bewertung"). Mit der Reform sollen unter anderem kleine Unternehmen entlastet werden.
Der Kölner Juraprofessor Joachim Hennrichs
begrüßte die seiner Ansicht nach "sehr begrenzt
wirkende, behutsame Öffnung für eine Zeitwertbewertung".
Diese sei mit der Fair-Value-Orientierung der International Financial Report Standards (IFRS)
"keineswegs vergleichbar", da sie auf einen "eng begrenzten
Anwendungsbereich" beschränkt bleibe.
So würden nur Finanzmarktinstrumente, die zu Handelszwecken
erworben wurden und einen Marktpreis auf einem aktiven Markt
hätten, nach ihrem Zeitwert bewertet, nicht hingegen andere
Vermögensgegenstände wie Immobilien.
"Folgerungen aus der Krise noch nicht
absehbar"
Professor Michael Hoffmann-Becking vom Deutschen Anwaltsverein sprach sich für eine komplette Streichung des entsprechenden Paragrafen aus. Es sei noch nicht abzusehen, welche Folgerungen "in der internationalen Rechnungslegung aus den Erfahrungen der Finanzkrise gezogen" würden. Es müsse außerdem klargestellt werden, dass bei einem "nicht funktionierenden Markt für die betreffenden Finanzinstrumente" nicht auf einen durch Modellrechnungen entstandenen Wert zurückgegriffen werden dürfe.
Dirk Jäger vom Zentralen Kreditausschuss der
deutschen Banken sah hingegen auch in der Finanzkrise
"international keine Abkehr von der Fair-Value-Bilanzierung". Für "handelsaktive
Kreditinstitute" sei die Zeitwertbewertung des Handelsbestandes
"von entscheidender Bedeutung und zur Schaffung international
einheitlicher Wettbewerbsbedingungen unerlässlich".
"Bilanzierung und Prüfung werden
aufwendiger"
Der Saarbrückener Professor für Wirtschaftsprüfung Karlheinz Küting schloss sich dieser Bewertung nicht an. Wer die Fair-Value-Konzeption bejahe, verzichte "auf tragende Säulen eines bewährten deutschen Bilanzrechts" und leiste einer "Entobjektivierung der Bilanz" Vorschub.
Bilanzierung und Prüfung würden durch diese Vorgabe
aufwendiger; das gelte für "mehrere Millionen deutscher
Kaufleute und damit nicht nur für die circa 800 großen
IFRS-Global-Player". Mit der Regelung werde in Kauf genommen, dass
eine Ergebnisrechnung, die starken Schwankungen unterworfen ist,
"eine Finanzmarktkrise intensiviert und beschleunigt".
"Marktwert nicht immer der reale Wert"
Die Regierung will, dass der handelsrechtliche Konzernabschluss als einfachere und kostengünstigere Alternative im Vergleich zum Konzernabschluss nach den internationalen Standards IFRS (International Financial Accounting Standards) erhalten bleibt. Ziel ist es, den handelsrechtlichen Konzernabschluss mit dem Konzernabschluss nach IFRS vergleichbar zu machen. Der handelsrechtliche Abschluss soll Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung bleiben.
Matthias Müller vom Deutschen
Gewerkschaftsbund bezeichnete die Fair-Value-Bilanzierung als "Ideologie". Der Marktwert
eines Finanzierungsinstrumentes sei nicht in allen Fällen der
reale Wert, da er von "Erwartungen in die Zukunft" und
"Spekulationen" beeinflusst sein könne.
"Wirkung nur bei funktionierenden
Märkten"
Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann vom Düsseldorfer Institut der Wirtschaftprüfer betonte, dass durch die Zeitwert-Bbewertung bei Kreditinstituten eine Praxis realisiert werde, die Banken schon seit Jahren ausübten. Der Stuttgarter Wirtschaftsprofessor Henry Schäfer begrüßte die Zeitwertbewertung prinzipiell, wies jedoch darauf hin, dass die Regelung nur bei "funktionierenden Märkten" die erwünschte Wirkung entfalte.