"Höhere Zahlungen an Betroffene überfällig"
Die Aufstockung des Vermögens der Contergan-Stiftung und die aus diesem Grund geplante Gesetzesänderung wird grundsätzlich begrüßt. Der Großteil der Sachverständigen bezeichnete am Montag, 4. Mai 2009, in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses die Erhöhung des Stiftungsvermögens durch die Firma Grünenthal und den Bund von 100 Millionen Euro und die damit verbundenen höheren Zahlungen an Betroffene als überfällig. Uneinig blieben sie in der Frage, ob das Vermögen sofort an die Betroffenen ausgezahlt oder in jährlichen Sonderzahlungen über 25 Jahre gestreckt werden soll.
Margit Hudelmaier vom Bundesverband
Contergangeschädigter sagte, die Öffentlichkeit nehme
Contergan-Geschädigte oft als Behinderte war, die ihr Leben
trotz starker Beeinträchtigungen gut meisterten. Das Leiden
der Menschen werde aber nicht wahrgenommen. Den Begriff der
„monatlichen finanziellen Unterstützung“, wie er
in dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (
16/12413) verwendet wird, lehne der
Bundesverband jedoch als „zu negativ“ ab, so
Hudelmaier.
"Ausbau der Leistungen ist dringend notwendig"
Regina Schmidt-Zadel von der Contergan-Stiftung für behinderte Menschen begrüßte den Gesetzentwurf. „Der Ausbau der Leistungen ist dringend notwendig“, sagte Schmidt-Zadel. „Zuerst wurde ein Verbrechen an uns verübt, dann wurden wir entrechtet und jetzt leben wir in Armut“, beklagte Gihan Higasi, die selbst contergangeschädigt ist. Sie forderte das Recht für Contergangeschädigte, zwischen einer sofortigen Auszahlung der ihnen zustehenden Entschädigung und jährlichen Sonderzahlungen wählen zu dürfen.
Im Gesetzentwurf vorgesehen sind jährliche Sonderzahlungen an
die Betroffenen über einen Zeitraum von 25 Jahren. Zudem
sollen nur noch Projekte gefördert werden, die
ausschließlich contergangeschädigten Menschen zugute
kommen. Bisher bezieht sich die Projektförderung generell auf
behinderte Menschen. Darüber hinaus sollen die Strukturen der
Stiftung gestrafft und der Stiftungsrat verkleinert werden.
Linke fordert um 50 Prozent höhere Entschädigungen
In einem Antrag fordert die Fraktion Die Linke ( 16/11639) eine sofortige Auszahlung der von der Firma Grünenthal zur Verfügung gestellten 50 Millionen Euro, eine Erhöhung der bisherigen Entschädigungsleistungen um 50 Prozent und eine paritätische Besetzung des Stiftungsrates und -vorstandes mit Contergangeschädigten.
Prof. Dr. Hans Karbe vom Neurologischen
Rehabilitationszentrum „Godeshöhe“ gab zu
Bedenken, dass die Beschränkung der jährlichen
Sonderzahlung auf 25 Jahre zu kurz gedacht sein könnte.
„Contergangeschädigte haben durchschnittlich eine
normale Lebenserwartung und werden auch in 25 Jahren noch Bedarf
haben“, prognostizierte Karbe.
Chronische Schmerzen an der Wirbelsäule
Prof. Dr. Klaus Peters von der Rhein-Sieg-Klinik aus Nordrhein-Westfalen sagte, die Betroffenen litten heute aufgrund ihrer Fehlbildungen vor allem unter chronischen Schmerzen an der Wirbelsäule sowie Schäden an der Hüfte.
Die Experten betonten, die Ausschlussfrist für Anträge
von Betroffenen an die Stiftung müsse vollständig
aufgehoben werden. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sieht
derzeit vor, dass Contergangeschädigte, die bisher aufgrund
der Ausschlussfrist keine Anträge auf finanzielle
Unterstützung an die Stiftung stellen konnten, dieses bis Ende
2010 nachholen können. Die Fraktion Die Linke fordert, die
Ausschlussfrist aufzuheben.
Liste der geladenen Sachverständigen
- Gihan Higasi
- Margit Hudelmaier, Bundesverband Contergangeschädigter e.V.
- Prof. Dr. med. Hans Karbe, Neurologisches Rehabilitationszentrum "Godeshöhe" e.V.
- Christoph Lechtenböhmer, Interessenverband Contergangeschädigter Nordrhein-Westfalen e.V.
- Prof. Dr. Klaus M. Peters, Rhein-Sieg-Klinik
- Dr. Wolf Schmidt, Stiftungsberater
- Regina Schmidt-Zadel, Conterganstiftung für behinderte Menschen
- Prof. Dr. Gregor Thüsing, Universität Bonn, Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit
- Antje Welke, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.