Wahlrecht für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten umstritten
Berlin: (hib/HLE) Die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer aus Nicht-EU-Ländern wird von Wissenschaftlern unterschiedlich beurteilt. So wies Felix Hanschmann vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg in einer Stellungnahme für die Anhörung des Innenausschusses am Montag darauf hin, dass die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts durch eine Änderung des Grundgesetzes verfassungsrechtlich zulässig sei. "Insbesondere die Einführung des aktiven und passiven Kommunalwahlrechts für Unionsbürger und das aktive und passive Wahlrecht bei Wahlen zum Europaparlament haben den vom Bundesverfassungsgericht behaupteten Zusammenhang von Volkssouveränität, Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft widerlegt", so der Sachverständige. Die Anhörung fand zu dem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Gesetzentwurf ( 16/6628) statt. Die Linksfraktion hat einen Antrag ( 16/5904) zur Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts vorgelegt.
"Trotz aller spektakulärer Bemühungen auf höchster Ebene in den letzten 20 Jahren und trotz des begrüßenswerten Integrationskonsenses zwischen den Parteien seit 2001 kann Integration nicht gelingen, wenn ein großer Teil der Einwanderer keine politischen Rechte hat", begründete Professor Dietrich Thränhardt (Universität Münster) seine Zustimmung zum Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer. Es sei Zeit, Einwanderer auch politisch enger an Deutschland und seine Demokratie heranzubringen, im Interesse der Einwanderer und vor allem auch im wohlverstandenen Eigeninteresse Deutschlands selbst, so Thränhardt. Da die Wahlbeteiligung der deutschen Bevölkerung absinke, gebe es Gebiete, in denen nur noch ein Drittel der Erwachsenen ihre kommunalen Vertretungen wählen würden - "eine Situation, die an die amerikanischen Südstaaten vor 1966 erinnert". Professor Klaus Sieveking (Universität Bremen) sprach sich dafür aus, mit der Einräumung des kommunalen Ausländerwahlrechts die Integrationsbemühungen zu unterstützen. Das "Gebot der Gleichbehandlung" sei einzulösen.
Strikt gegen die Einführung eines kommunalen Ausländerwahlrechts für Nicht-EU-Ausländer sprach sich Bundesverwaltungsrichter Klaus Rennert aus. "Die Staatsgewalt geht vom Volk der deutschen Staatsangehörigen aus. Darauf ruht unsere Verfassungsordnung", so Rennert. Die Anträge der beiden Fraktionen würden darauf abzielen, "das Volk der deutschen Staatsangehörigen durch eine anders umschriebene Wählerschaft zu ersetzen. Das ist mit dem Grundgesetz unvereinbar; es ist auch im Wege der Verfassungsänderung nicht zulässig", betonte Rennert.
Professor Edzard Schmidt-Jortzig (Kiel), ehemaliger Bundesjustizminister, sah das "Risiko eines verfassungsrechtlichen Vetos". Als Alternative käme in Betracht, auf den Integrationsbedarf der ausländischen Bevölkerung mit entsprechenden staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen zu reagieren und den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft zu erleichtern. Auf entsprechende Fragen meinte Schmidt-Jortzig, er halte es durchaus für möglich, dass Ausländer ihre eigenen Parteien gründen würden. Er verwies auf das Beispiel des Südschleswigschen Wählerverbandes der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, der eine "ganz hervorragende Kommunalpolitik" mache.
Klar ablehnend äußerte sich Professor Matthias Pechstein (Frankfurt/Oder): "Das Projekt einer Verfassungsänderung ist unzulässig". Es wäre vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig zum Scheitern verurteilt und würde von Karlsruhe als "verfassungswidriges Verfassungsrecht" aufgehoben werden. Pechstein sprach von einer "nicht nachvollziehbaren politischen Provokation des Bundesverfassungsgerichts". Die voraussehbare Niederlage der gesetzgeberischen Körperschaften würde einen "beträchtlichen Schaden für das Ansehen der Legislative" bedeuten.
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