Lammert: "Demokratische Freiheiten nicht für die Zerstörung der freiheitlichen Demokratie missbrauchen"
„Der deutsche Parlamentarismus ist auch heute nicht unangefochten, aber er erweist sich als robuster und vitaler als gemeinhin vermutet“, betonte Bundestagspräsident Norbert Lammert in seiner Rede anlässlich der Gedenkstunde zur „Zerstörung der Demokratie in Deutschland vor 75 Jahren“. Aus der Doppelerfahrung des Scheiterns von Weimar und der nationalsozialistischen Diktatur habe die Väter und Mütter des Grundgesetzes „vor allem das Ziel einer wehrhaften Demokratie, in der sich demokratische Freiheiten nicht für die Zerstörung der freiheitlichen Demokratie missbrauchen lassen sollen“ geleitet, erklärte Lammert.
Die politische Kultur der Weimarer Republik habe von Beginn an unter dem weit verbreiteten Zweifel über die Vorzüge und Bedingungen einer parlamentarischen Demokratie gelitten. Diese Skepsis gegenüber dem Prinzip der Repräsentation und das Misstrauen in pluralistisch-demokratische Entscheidungsprozesse hätten schließlich von der „Missachtung des Reichstages zu einer Parlamentsverachtung“ geführt. „Illusionen“, so der Bundestagspräsident, „hätte niemand über die künftigen Verhältnisse haben dürfen.“
Bücherverbrennung, Notverordnungen, Machtübernahme - mit dem Einzug der Nationalsozialisten in die Reichskanzlei habe „die systematische Zerstörung der Demokratie“ begonnen. Lammert: „Der ausdrückliche Abschied von der unantastbaren Würde des Menschen führte schließlich in den Holocaust als beispiellosem Menschheitsverbrechen.“
Der Bundestagspräsident erinnerte und warnte zugleich: „Zu dieser fast unbegreiflichen Entwicklung beigetragen hat nicht zuletzt ein erschreckender Mangel an Einsicht und Zivilcourage bei prominenten Vertretern der Wirtschaft, der Medien, der Kirchen wie der Universitäten.“ So sei beispielsweise unlängst dokumentiert worden, dass viele Wissenschaftler in Deutschland keineswegs erst hätten gleichgeschaltet werden müssen. Lammert hob die Bedeutung „einer demokratischen Erinnerungskultur“ angesichts der Feiern zum 60jährigen Bestehens der Bundesrepublik im kommenden Jahr hervor.
Dankbarer Respekt gelte all denen, die während und nach der brutalen Zerstörung der ersten deutschen Demokratie den Wiederaufbau des Landes möglich gemacht haben. Lammert: „Vor allen Opfern der nationalsozialistischen Diktatur verneigen wir uns.“
Rede Bundestagspräsident:
http://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/2008/004.html
Rede Dr. Hans-Jochen Vogel:
http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2008/20069543_kw15_gedenkstunde/rede_vogel.html
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