Uganda
Das Land ist der fünftgrößte Blumenexporteur in Afrika und will die Produktion verdoppeln. Die Arbeitsbedingungen sind allerdings nicht blumig.
Ob die Entwicklungshilfe der reichen Industrienationen für ihre arme Verwandschaft weltweit erhöht wird oder nicht - immer mehr afrikanische Länder versuchen sich selbst zu helfen. Dabei besetzen sie Nischen in den Märkten der Industrieländer - wie Uganda, das in nur wenigen Jahren zu einem erfolgreichen Rosenexporteur geworden ist.
Seit 1993 produziert das zentralafrikanische Land rund 7.000 Tonnen Blumen jährlich. Doch liegt ein dunkler Schleier auf den Blüten, denn ugandische Blumenfarmen weisen weltweit die schlechtesten Arbeitsbedingungen auf. Niedrigstlöhne, mangelnde Schutzkleidung und giftige Pflanzenschutzmittel machen den Arbeitern das Leben schwer. Aber statt Alarm zu schlagen, vernetzen sie sich und versuchen den fairen Handel auch in ihrer Branche durchzusetzen - mit Fair-Flower-Siegel. Es ermöglicht ihnen ein besseres Leben und den Deutschen unbeschwerten Blumengenuss.
"Blumen bedeuten für mich Liebe und Frohsinn", sagt Stephen Baraza, obwohl er mehr als 15 Jahre lang unter härtesten Bedingungen auf kenianischen und ugandischen Rosenfarmen geschuftet hat und dabei vor allem ihre Dornen kennenlernte. "Am liebsten verschenke ich rote Rosen, die herrlich duften, oder frische Gerbera. Vor allem an meine Frau und meine Tochter", sagt der 34-Jährige.
Rund um den Viktoria-See werden auf 200 Hektar Fläche etwa 35 Blumensorten produziert, darunter vor allem Rosen, Gerbera und Chrysanthemen. Golden Gate, Black Magic, Lambada und Baronesse - die Namen der Exportschlager sind ebenso strahlend wie ihre Blüten. Uganda hat sich innerhalb weniger Jahre zum fünftgrößten Blumenexporteur des schwarzen Kontinents entwickelt.
Und die ugandische Blütenpracht überbringt nicht nur die Botschaft der Liebe, sondern hat mehr als 6.000 neue Arbeitsplätze geschaffen und sichert dem Land jährliche Einnahmen von knapp 30 Millionen Euro. Mit viel Erfolg hat das Land am Viktoria-See 1993 eine Nische im internationalen Blumenmarkt entdeckt, denn die Nachfrage nach kleinköpfigen Rosen war größer als das Angebot.
Rund um die Welt verkaufen die Ugander heute die edlen Gewächse, die sie wegen ihrer Robustheit und strahlenden Farben vor allem in gebundenen Sträußen anbieten. "Wir sind international wettbewerbsfähig", berichtet Keith Henderson, Geschäftsführer der Ugandischen Vereinigung der Blumenexporteure (UFEA), "der Rosenanbau schafft Wirtschaftswachstum und bietet eine Chance auf nachhaltige Entwicklung."
Und die braucht Uganda dringend. Nach brutalen Diktaturen wie der unter Idi Amin, zahlreichen Kriegen und Jahrzehnten der Misswirtschaft leben heute noch immer mehr als zwei Drittel der 28 Millionen Menschen in Armut, auf dem Index für menschliche Entwicklung rangiert das Land nur auf Platz 145 von 177 Ländern.
Das Land verfügt über beste Bedingungen für die Blumenzucht. Direkt am Äquator ist das Klima tropisch-feucht, die Temperaturen sind ideal, in den vielen Sümpfen gibt es genügend Wasser. Die Rosen können die Wirtschaft nicht nur bunter gestalten, sondern ermöglichen dem Land auch eine Loslösung von Tee- und Kaffeeexporten, deren Preise auf den Weltmärkten großen Schwankungen unterworfen sind.
Uganda versucht, die Märkte der Industrieländer dort zu erobern, wo es keine Handelsschranken wie hohe Zölle oder Quoten gibt und die Regierungen die Produktion nicht durch hohe Subventionen schützen. Doch trotz der Erfolgsgeschichte hängen gerade über ugandischen Blumen dunkle Wolken. "Die Löhne sind unterirdisch", berichtet Stephen Baraza, "ein Arbeiter verdient im Durchschnitt gerade einmal 50 Cent am Tag, nur 22 Euro im Monat. Die wenigsten haben einen festen Vertrag und erhalten auch trotz zahlreicher Überstunden keine Entschädigung." Stephen ist verheiratet und hat fünf Kinder, es gab Zeiten, da lebte seine Familie ausschließlich von dem, was er nach Hause brachte und konnte sich nicht einmal gesund ernähren.
Zwar beschäftigt die Blumenindustrie vor allem gering qualifizierte, arme Menschen, von denen nur die wenigsten eine weiterführende Schule besucht haben. Doch ihr Beitrag zur Bekämpfung der Armut ist weiterhin gering, denn nach internationalen Standards gilt als extrem arm, wer weniger als einen Dollar am Tag hat.
"Trotz des hohen Einsatzes von Düngemitteln und Pestiziden wird nur wenig für die Sicherheit getan", klagt Stephen, "teilweise arbeiten die Menschen barfuss, ohne Atemschutzmasken und Arbeitshandschuhe." Schwangere Frauen bekommen nur eine Woche bezahlten Mutterschaftsurlaub, häufig jedoch werden sie einfach entlassen und nach der Geburt ihres Kindes wieder in den Betrieb aufgenommen. Und die Zeit, die sie dann mit Stillen verbringen, müssen sie später nachholen.
Im vergangenen Jahr taten sich daher rund 500 Arbeiter zur ersten Blumengewerkschaft Uganda Horticultural and Allied Workers Union zusammen. Stephen Bazara wählten sie zum Generalsekretär, der mittlerweile für ein Drittel der Arbeiter spricht. Sein dringendstes Anliegen sind feste Verträge, faire Löhne und Kündigungsschutz. Darüber hinaus setzt er sich für Urlaubstage und bessere Arbeitsbedingungen ein.
Den größten Erfolg konnte Stephen bei seinem ehemaligen Arbeitgeber verbuchen. I n der Nähe des ugandischen Wirtschaftszentrums Entebbe züchten die Venus Farms auf zwölf Hektar gelbe, rote und orangefarbene Rosen für den Export. Dabei haben sie sich nicht nur ein lukratives Geschäft zum Ziel gesetzt, sondern suchen auch einen Beitrag für die Entwicklung des Landes zu leisten.
Die Arbeiter der Venus Farms tragen Schutzkleidung und werden über die korrekte Anwendung der Chemikalien aufgeklärt. Und das Unternehmen unterstützt eine Schule mit 45 Lehrern, die sich um die Ausbildung der nächsten Generation kümmert. Denn mehr als die Hälfte der Ugander sind jünger als 22 Jahre, und die neue Industrie stößt vor allem dort an ihre Grenzen, wo qualifizierte Kräfte für Verwaltung, Marketing und Logistik fehlen.
"Doch ohne öffentlichen Druck werden nur die wenigsten Unternehmen handeln", berichtet Gertrude Falk von der Menschenrechtsorganisation FIAN in Köln. Sie unterstützt die Einführung von Festverträgen und Gesundheitsschutz, von Erholungstagen und Sozialleistungen in Uganda.
Denn Deutschland ist das größte Abnehmerland für Rosen und gilt als besonders romantisch. Mehr als 60 Prozent der Rosen werden verschenkt, die meisten als Zeichen der Liebe. Als bekannt wurde, dass Blut an afrikanischen Diamanten klebte, brach das Geschäft ein. Ein ähnlicher Effekt wäre für Rosen zu erwarten. Doch geht es der Menschenrechtsorganisation gar nicht darum, Alarm zu schlagen, der die neuen Arbeitsplätze und die Wachstumschancen in Afrika gleich wieder zerstören würde, sondern um eine konstruktive Lösung.
"Schutzsiegel weisen den Käufer schon jetzt auf Blumen hin, die unter fairen Bedingungen gezüchtet wurden", berichtet Gertrude Falk, die gemeinsam mit Stephen Bazara erst einmal auf die Produzenten zugehen und Überzeugungsarbeit leisten möchte.
"Besser motivierte Arbeitskräfte sorgen für mehr Produktivität, die gezielte Anwendung von Insektenbekämpfungsmitteln spart Geld und verhindert teure Umweltschäden. Anfängliche Umstellungskosten wären schnell wieder ausgeglichen", sagt sie. Mit dem Generalsekretär der Blumengewerkschaft ist sie gerade von einer zehntägigen Vortragstour durch Deutschland zurückgekommen, dabei warben sie um einen bewussten Blumenkauf und um Briefaktionen.
"Die Produzenten sollen sehen, dass wir sie in den Blick genommen haben", sagt Falk, "nur gemeinsam können wir es schaffen." In Südafrika und Kenia gibt es bereits Farmen, die sich das Fair-Flower-Siegel verdient haben, weil sie die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) befolgen. Nun soll die Idee auch nach Uganda gebracht werden.
Denn das Land plant die Blumenproduktion in den nächsten Jahren zu verdoppeln. Gerade hat Präsident Yoweri Museveni persönlich eine neue Rosenfarm vor den Toren der Hauptstadt Kampala eingeweiht. Die Wirtschaft seines Landes blüht, nun wird es Zeit, dass auch die Menschen davon profitieren.