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Die Regierung zieht die Zügel wieder stärker an
"Das sind die schwärzesten Tage für die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte in Vietnam." Vu Quoc Dung, Asienreferent der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt, beobachtet seit Jahren die politische Entwicklung in seinem Heimatland. Die Prozesswelle gegen vietnamesische Dissidenten, denen "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" und "Störung der Sicherheit" vorgeworfen wird, übertreffe alle bisherigen Repressionen. Drei Angeklagte wurden nach Angaben von Vu Quoc Dung in Ho Chi Minh Stadt bereits zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Ihnen war vorgeworfen worden, Dokumente zur Verleumdung des Staates und der Führung der Kommunistischen Partei verbreitet zu haben.
Hatte die internationale Gemeinschaft vor Vietnams Beitritt zur Welthandelsorganisation zu Beginn des Jahres immer noch einen Hebel in der Hand, um Druck auf die Hardliner auszuüben, so lässt sich die Regierung jetzt weniger denn je in die Karten sehen. Im Gegenteil: Prozesse gegen Oppositionelle unter Ausschluss der Öffentlichkeit und im Schnellverfahren sowie Razzien gegen namhafte Bürgerrechtler im ersten Quartal 2007 zeigen, dass die vietnamesische Regierung die Zügel wieder stark anzieht.
Nahezu parallel nimmt die Zahl der Dissidenten zu, die sich mutig dem doppelge-sichtigen Regime entgegenstellen. Ein Regime, das sich weltoffen in seiner Wirt-schaftspolitik zeigt, zugleich aber opposi-tionelle Bewegungen schon im Ansatz zu ersticken sucht. Jüngstes Beispiel ist das Schicksal des katholischen Pfarrers Nguyen Van Ly und vier seiner Weggefährten, die in einer Rekordzeit von fünf Stunden zu einer Haftstrafe von zusammen 21 Jahren verurteilt worden sind. Sie waren der "Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" angeklagt worden. Besonders massiven Repressionen sind kirchliche Gemeinschaften ausgesetzt. Auch zwei Jahre nach dem Erlass der "Verordnung über Glauben und Religion" sind Kirchengemeinschaften immer noch nicht anerkannt.
Nach dem jüngsten Prozess im Schnellverfahren erhöht sich die Zahl der politischen Gefangenen auf rund 170, obwohl die Regierung die Existenz solcher Gefangener rundweg bestreitet. Die Staatssicherheit bedient sich immer radikalerer Methoden, um Dissidenten einzuschüchtern: nächtliche Besuche, Einbrüche in Abwesenheit, Überfälle und vorgetäuschte Verkehrsunfälle durch Unbekannte gehören zu den Praktiken, derer sich sonst nur Polizeistaaten bedienen. Telefon- und Internetverbindungen werden gestört oder getrennt, die Ausstellung von Pässen verweigert, Computer und Laptops konfisziert und Verdächtige manchmal mehrwöchigen Verhören unterzogen.
Zu den Verfolgten des Regimes gehört seit Jahren auch die ethnische Minderheit der Montagnards, deren Rechte mit Füßen getreten werden. Immer wieder kommen sie aus den Bergen, um friedlich für ihre Eigenständigkeit und das Recht auf Religionsfreiheit zu demonstrieren. Hunderte von Montagnards sind inzwischen festgenommen worden und sitzen in Gefängnissen. Andere werden in Lagern festgehalten, über tausend Kilometer von ihren Heimatorten und Familien entfernt.