EUROPARAT
Versammlung diskutiert Bericht von Sonderermittler Marty zu CIA-Aktivitäten
Bei der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung (PV) des Europarates ist eine spannende Debatte zu erwarten. Im offenen Streit hat die Parlamentarierversammlung, die vom 25. bis 29. Juni tagt, zu entscheiden, ob sie brisante Vorwürfe ihres Sonderermittlers Dick Marty stützt: dass nämlich in Polen und Rumänien zwischen 2003 und 2005 CIA-Geheimgefängnisse existierten, in denen illegal verschleppte Terrorverdächtige unmenschlicher Behandlung und "verstärkten Verhörmethoden" ausgesetzt waren. Im Vorfeld der Sommersession des Abgeordnetenhauses des Staatenbunds flogen noch auf Distanz via Medienkrieg die Pfeile zwischen Marty und diversen Regierungen, die sämtliche Vorhaltungen des Ex-Staatsanwalts zurückweisen. Jetzt muss sich der Schweizer stellen. Im Plenum dürfte dem Liberalen nicht nur Zustimmung entgegenschlagen, auch nicht von CDU- und SPD-Abgeordneten: Marty bezichtigt nämlich Berlin, wie einige andere europäische Regierungen, die Aufklärung menschenrechtswidriger CIA-Machenschaften zu hintertreiben.
Die Debatte über Martys vehemente Anklagen kann als konfliktträchtigstes Thema dieser Tagung gelten. So weitreichende Vorwürfe hat noch niemand erhoben, auch nicht der CIA-Ausschuss des EU-Parlaments: Martys Bericht stuft es erstmals nicht nur als wahrscheinlich, sondern als "feststehende Tatsache", als "erwiesen" ein, dass die CIA in Polen und Rumänien so genannte "Black Sites" unterhielt - gebilligt von den damaligen Präsidenten Alexander Kwasniewski und Ion Iliescu.
Marty beruft sich auf Auswertungen von Flugbewegungen, eigene Recherchen und Medienberichte. Vor allem aber basiert die Kritik auf der Befragung von über 30 Ex-Geheimdienstlern aus den USA und Europa, die freilich namenlos bleiben. Für Marty ist dies eine offene Flanke: "Natürlich haben unsere einzelnen Quellen nur unter der Bedingung absoluter Anonymität mit uns gesprochen", sie seien "gegenwärtig nicht bereit, öffentlich auszusagen". Die polnische und rumänische Regierung, die CIA-Geheimknäste auf ihren Territorien in Abrede stellen, verweisen auf Martys "nicht identifizierte Quellen". Unterstützung findet er bei Parlamentspräsident René van der Linden. Europarats-Generalsekretär Terry Davis lobt zwar Martys Aufklärungsarbeit, meint aber, für eine endgültige Beurteilung des Berichts sei es noch zu früh.
Martys Ermittlungen fachen auch den Streit in Deutschland an. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FPD) spricht von einem "beeindruckenden Bericht": Marty werfe "der Bundesregierung zu Recht vor, sich nicht an der Aufklärung von Verschleppungen in Geheimgefängnisse zu beteiligen". Genau diesen Vorwurf attackiert Thomas Oppermann, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss des Bundestags, als "einseitig, unsachlich und unzutreffend" und als "haltlose Anschuldigungen". Berlin sei an den CIA-Aktionen nicht beteiligt gewesen und habe davon nichts gewusst. Nach der Sommerpause dürfte Marty auf Betreiben der Opposition vor dem Untersuchungsausschuss gehört werden.
Das zweite große Thema in Straßburg befasst sich mit dem interkulturellen und interreligiösen Dialog. Eine zentrale Frage dabei ist das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und der Bekämpfung von so genannten "Hassreden". Strittig ist dabei, ob die Abwehr von "Gotteslästerung" Eingriffe in die Medienfreiheit rechtfertigen darf. Immerhin hat auch der Menschenrechtsgerichtshof festgestellt, dass Meinungsäußerungen auch "schockieren, beleidigen oder stören" dürfen. Hierzulande haben gegen Imame wegen "Hasspredigten" verfügte Ausweisungen vor Gericht nicht immer Bestand.