POSTLIBERALISIERUNG
Nationale Anbieter können ihr Monopol bis Ende 2010 aufrechterhalten
Eigentlich wollte Michael Glos (CSU) die Öffnung der europäischen Postmärkte noch als Vorsitzender des Ministerrates unter Dach und Fach bringen. Dieses Ziel hat der Wirtschaftsminister nun wohl knapp verfehlt. In der letzten Woche hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlamentes einen Kompromiss zur Abschaffung der Postmonopole verabschiedet, dem sich die meisten Mitgliedstaaten kaum verschließen können. Er gehe davon aus, sagt sein Parteifreund Makus Ferbers, der Berichterstatter des Parlamentes, "dass der Ministerrat die Postrichtlinie noch in diesem Jahr verabschiedet". Der großen Koalition in Berlin würde das eine neue Debatte über die Verlängerung des deutschen Briefmonopols ersparen.
Ferbers Kompromiss fand am 18. Juni im federführenden Verkehrsausschuss eine breite Mehrheit. Er sieht vor, dass alle EU-Staaten ihre Postmonopole spätestens am 1. Januar 2011 abschaffen, zwei Jahre später als die Kommission vorgeschlagen hat. Nur die neuen EU-Staaten, die der Union seit 2004 beigetreten sind, und Länder mit schwierigen geographischen Verhältnissen dürfen danach das Beförderungsmonopol für Briefe bis 50 Gramm noch zwei Jahre länger beibehalten.
Die Verzögerung von zwei Jahren trägt dem Umstand Rechnung, dass die geltende Postrichtlinie Anfang 2009 ausläuft. Die Mitgliedstaaten könnten dann durch Vertragsverletzungsverfahren zur bedingungslosen Abschaffung der Postmonopole gezwungen werden. Die neue Richtlinie gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Postmärkte auch danach zu regulieren. Vorgesehen ist, dass nur lizensierte Unternehmen das Recht haben, Briefe zu befördern. Die Mitgliedstaaten dürfen die Vergabe der Lizenzen mit bestimmten Auflagen verbinden. Sie hätten damit die Möglichkeit "Lohn- und Sozialdumping" im Postsektor zu verhindern, sagt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Bernhard Rapkay.
In allen Mitgliedstaaten wird es auch in Zukunft einen Universaldienst geben. "Jeder Bürger der EU", sagt Markus Ferber, "hat einen Rechtsanspruch auf postalische Versorgung, egal ob er auf dem Land lebt oder in der Stadt, auf einem Berg oder einer Insel." Briefe und Pakete müssen mindestens fünf Mal in der Woche angenommen und zugestellt werden. Zur Finanzierung des Universaldienstes, die bislang überwiegend aus Monopolgewinnen erfolgte, stehen in Zukunft andere Mechanismen zur Verfügung. Die lizensierten Unternehmen können zum Universaldienst verpflichtet oder auch gezwungen werden, in einen Fonds einzuzahlen, aus dem Universaldienste bezuschusst werden. Die Mitgliedstaaten können auch Subventionen bezahlen. Ferber geht allerdings davon aus, dass dies nicht nötig sein wird. "Die Erfahrung in den EU-Staaten, in denen bereits Wettbewerb herrscht, hat gezeigt, dass eine gesonderte Finanzierung aus Fonds oder den öffentlichen Kassen nicht nötig ist, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten." Um die Kosten des Universaldienstes zu berechnen, soll die Kommission Anfang 2009 Leitlinien vorlegen. Damit soll verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten bestimmten Anbietern Wettbewerbsvorteile verschaffen, indem sie sie mit dem Universaldienst beauftragen und dafür überhöhte Kompensationen bezahlen. Sie müssen deswegen dafür sorgen, dass die Kosten des Universaldienstes transparent ermittelt und ohne Benachteiligung für einzelne Anbieter abgegolten werden.
Für die Übergangszeit bis 2012 haben die Abgeordneten außerdem eine "Reziprozitätsklausel" in den Vorschlag der Kommission eingefügt. Danach müssen nur die Postunternehmen der Länder eine Lizenz in einem anderen EU-Land erhalten, die ihren eigenen Markt für den Wettbewerb geöffnet haben. Die französische Post zum Beispiel könnte dann in anderen EU-Staaten nicht am Wettbewerb teilnehmen, solange Frankreich am Briefmonopol festhält.
Bei der Deutschen Post ist der Kompromiss auf wenig Begeisterung gestoßen. Für die neuen EU-Mitgliedstaaten sei die Übergangsregelung in Ordnung, sagt Konzernsprecher Dirk Klaasen. In den alten 15 EU-Mitgliedstaaten würden jedoch die Länder bestraft, "die ihre Hausaufgaben gemacht haben". In der Bonner Konzernzentrale hätte man sich gewünscht, dass die Monopole früher abgeschafft werden. Die Reziprozität sei zwar im Prinzip richtig. Ob sie auch in der Praxis für einen "europäischen Gleichklang" bei der Marktöffnung sorge, sei aber noch nicht ausgemacht. Für den gelben Riesen gibt es auf den Märkten, die ihm durch die Verzögerung der Liberalisierung erst einmal verschlossen bleiben, mehr zu gewinnen als er auf seinem Heimatmarkt zu verlieren hat.
Bei der Abstimmung im Europaparlament Mitte Juli wird mit einer breiten Mehrheit für den Vorschlag des deutschen Berichterstatters gerechnet. Das Parlament erhöht damit den Druck auf den Ministerrat, zu einer Einigung zu kommen. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat die Voraussetzungen dafür verbessert.
In den letzten Monaten haben sich die Mitgliedstaaten über eine Reihe von Punkten bereits verständigt: Die Zulassung von Postunternehmen, die Grundsätze der Tarifgestaltung, den Zugang zu den Netzen anderer Anbieter oder die Aufgaben der Regulierungsbehörden sind kaum noch stritig. Einig ist man sich auch darüber, das Postmonopol abzuschaffen und den Universaldienst im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten. Die portugiesische Präsidentschaft ist nach der Sommerpause dann allerdings gefragt, eine Lösung für die Finanzierung des Universaldienstes finden, die für alle akzeptabel ist.