PHARMAPAKET
EU-Kommission will Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher vorlegen
Wenn es um gefälschte Medikamente geht, kann die EU-Kommission in Brüssel haarsträubende Geschichten erzählen. Dass die Plagiate oft zu wenig Wirkstoffe enthalten, ist schon dramatisch genug. Doch häufig entwickeln Fälscher eine gefährliche Kreativität: So beschlagnahmten Fahnder zum Beispiel Tabletten, die aus gemahlenen Steinen bestanden und mit Möbelfett poliert waren.
"Arzneimittel-Piraterie kann Menschenleben kosten", warnt EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD). Über vier Millionen gefälschte Packungen wurden 2007 sichergestellt. Nun will die EU-Kommission gegen die Missstände vorgehen: mit einem "Pharma-Paket" aus mehreren Gesetzentwürfen, die möglicherweise am 26. November vorgelegt werden sollen.
Verheugen hat eine Reihe von Maßnahmen im Sinn. So möchte er die Arzneimittelpackungen mit Strichcodes und ähnlichen Sicherheitszeichen versehen, die die Apotheken ablesen können. Auf diese Weise kann verfolgt werden, welchen Weg das Medikament vom Hersteller zum Patienten genommen hat.
Ein anderer Vorschlag stieß jedoch auf heftigen Protest: Verheugen schwebte ein sogenanntes "Umpackverbot" für Arzneimittel vor. Verpackungen sollten in der Lieferkette nicht mehr geöffnet werden dürfen. Dieser sogenannte "Parallelhandel" ist bisher ein florierendes Geschäft. So ist zum Beispiel Aspirin in Griechenland wesentlich billiger als in Deutschland.
Die Firmen tauschen einfach die griechische Schachtel und den Beipackzettel gegen deutsche Pendants aus. "Das senkt die Preise und macht bei der Sicherheit keinen Unterschied", argumentiert ein Brüsseler Lobbyist. Einige Kommissionskollegen Verheugens, unter anderem Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, befürworten den Parallelhandel sogar ausdrücklich. Dies sei ein legales Geschäftsmodell, sagt Kroes. Die Bundesregierung rechnet vor, dass die gesetzlichen Krankenkassen mit Hilfe der Billig-Importe jährlich rund 200 Millionen Euro sparen. Auf Druck seiner Kollegen musste Verheugen das Pharmapaket im Oktober erst einmal wieder von der Tagesordnung nehmen.
Laut dem aktuellen Entwurf ist das strenge Umpackverbot vom Tisch. "Mit den Sicherheitsmaßnahmen, die derzeit vorgesehen sind, können wir leben", heißt es aus Branchenkreisen. Entschärft wird wohl auch eine zweite Richtlinie, die laut Kritikern das Arzneimittel-Werbeverbot untergraben könnte. 80 Prozent aller Fälschungen gelangen über das Internet in die Lieferkette, weiß der EU-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis (FDP). Die restlichen 20 Prozent rutschen bei Zollkontrollen an den EU-Außengrenzen durch. Daher sein Vorschlag: "Die Pharmakonzerne sollten enger mit Fahndern wie etwa der EU-Betrugsbehörde OLAF zusammenarbeiten", sagt der EU-Parlamentarier.