MIGRANTEN
Kinder ausländischer Eltern studieren selten. Das wollen die Begabtenförderungswerke ändern
Katrin Dapp wird fröhlich, wenn sie über ihre Probestipendiaten spricht. "Die sind für uns das Salz in der Suppe, weil sie so motiviert und engagiert sind", sagt sie und strahlt. Seit fast einem Jahr betreut die Referentin der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Neuen. Sie können sich schon während ihrer Abiturzeit bewerben und müssen nicht, wie alle anderen, bis zum dritten Semester warten. Damit will die SPD-nahe Stiftung dazu beitragen, dass auch Abiturienten, die aus eher bildungsfernen Familien kommen oder sich aus finanziellen Gründen gegen ein Studium entschieden hätten, an die Universitäten kommen. Dazu gehören auch Migranten. Sie stellen 15 Prozent der Probestipendiaten. "Die finanzielle Absicherung ist für diese jungen Leute eine wesentliche Voraussetzung dafür, ein Studium aufzunehmen und durchzuziehen", weiß Dapp.
Das kann Vural Kaymak bestätigen. Seit April wird der 21-jährige Physikstudent von der Stiftung gefördert. "Meine Eltern kommen aus der Türkei, und mein Vater verdient nicht so viel Geld, als dass er mich finanziell unterstützen kann. Damit war klar, dass das Studium ohne einen Nebenjob nicht zu machen gewesen wäre. Das und die Lernerei unter einen Hut zu bringen, wäre ganz schön hart geworden." Dass es dazu nicht kam, verdankt Kaymak seiner Chefin während des Zivildienstes. Die ermutigte ihn, sich bei der Ebert-Stiftung zu bewerben. "Ich habe erst gedacht, das sei sehr kompliziert, aber es ging eigentlich alles ganz schnell." Jetzt studiert Kaymak im dritten Semester, mit guten Noten und genug Zeiten zum Lernen.
Damit gehört er zu der Zielgruppe, die das Bildungsministerium und die Begabtenförderungswerke derzeit besonders in den Blick genommen haben. Ein Prozent der Absolventen eines Ausbildungsjahrgangs soll nach dem Willen von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) künftig durch ein Stipendium gefördert werden - aktuell sind es rund 0,9 Prozent. Um das Ziel zu erreichen, wurden die Mittel für die Begabtenförderung vor zwei Jahren kräftig erhöht: Mehr als 113 Millionen Euro stellt das BMBF 2008 zur Verfügung. Wie die Stiftungen mit dem Geld konkret umgehen, ist ihnen überlassen. Der Erfolg: Wurden vor zehn Jahren noch 10.258 Stipendiaten unterstützt, waren es 2006 immerhin 13.857.
Erreichen soll dieses Geld vor allem die, die bislang zu wenig an Universitäten zu finden sind. Nur acht Prozent der Studierenden in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, bei den Begabtenförderwerken machen sie etwa zehn Prozent aus, mit steigender Tendenz. Schavan will ihren Anteil unter den Studierenden demnächst verdoppeln. Doch die Einwandererkinder, die an die Universitäten kommen, haben es oft schwerer als ihre Kommilitonen deutscher Herkunft. "In unserer 18. Sozialerhebung haben wir herausgefunden, dass 41 Prozent der Studierenden mit Migrationshintergrund aus niedrigen sozialen Schichten kommen. Unter allen Studierenden sind es aber nur 13 Prozent", erklärt der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes, Achim Meyer auf der Heide. Es sei begrüßenswert, dass die Regierung den Zugang zum BAföG für Zuwandererkinder erleichtert habe, dennoch spiele der Aufenthalt der Eltern in Deutschland bei der Gewährung des Geldes immer noch eine zu große Rolle: "Das ist problematisch, weil es letztlich dazu führt, dass viele von ihnen arbeiten müssen - und unter solchen Bedingungen ein Studium durchzuhalten, ist schwierig."
Viele der Stiftungen haben das erkannt und bieten nun wie die Ebert-Stiftung Stipendien schon für angehende Studienanfänger an. Das Ziel: Abiturienten für ein Studium gewinnen, die ohne finanzielle Unterstützung der Uni ferngeblieben wären. Außerdem trauen sich gerade viele Migrantenkinder trotz guter Noten nicht, sich bei den Stiftungen zu bewerben, weil sie glauben, den Anforderungen an Leistung und sozialem Engagement nicht zu genügen, heißt es bei den Stiftungen. Der einfachere Einstieg, ohne schon Studienleistungen nachweisen zu müssen, soll ihnen die Scheu nehmen. Sowohl bei der Hanns-Seidel-Stiftung als auch der Friedrich-Naumann-Stiftung können sich begabte Abiturienten noch vor der Einschreibung an der Uni bewerben. Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung bemüht sich zunehmend um Stipendiaten mit Migrationshintergrund und schreibt dafür gezielt Schulen mit hohem Ausländeranteil an. Mit ihrem "Almanya-Programm" richtet sie sich an eine türkischstämmige und muslimische Zielgruppe, da die Stiftung hier die größten Integrationsprobleme ausgemacht hat. Die Heinrich-Böll-Stiftung fördert gezielt Journalistik-Studenten mit Migrationshintergrund; auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat sich zum Ziel gemacht, mehr Migrantenkinder in die Förderung aufzunehmen.
Die Start-Stiftung setzt sogar schon zur Schulzeit an. Insgesamt 600 Schüler wurden und werden ab der Mittelstufe mit monatlich 100 Euro, einer Computer-Ausstattung und der Möglichkeit, an Seminaren teilzunehmen, unterstützt. Mit Erfolg: Nach Angaben der Stiftung, die 2002 als Projekt der Hertie-Stiftung begann, haben 99 Prozent der Start-Stipendiaten, die die Schule bereits abgeschlossen haben, seither ein Studium begonnen. Geschäftsführer Kenan Önen ist davon überzeugt, dass von Programmen wie diesen die gesamte Gesellschaft profitiert. Für Migrantenkinder sei es "selbstverständlich, dass sie dem Staat, der sie gut behandelt, auch etwas zurückgeben wollen". Anstoß des Programms war die Erkenntnis, dass man es sich in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten kann, auf das Potenzial der Einwanderer zu verzichten. "Es wird Zeit, dass sich das negative Bild der Migrantenkinder endlich ändert", sagt Önen.