Ausbau der Kinderbetreuung, Elterngeld, Vätermonate: In Sachen Familienpolitik geht in Deutschland auf einmal ganz viel. Wohl nicht zuletzt deswegen, weil im Bundestag immer mehr junge Frauen sitzen, die weder auf Nachwuchs noch auf ihr Mandat verzichten wollen. Und die dieses moderne Rollenverständnis - Vereinbarkeit von Beruf und Familie und gleichberechtigte Aufteilung der familiären Pflichten zwischen beiden Eltern - ganz selbstverständlich für alle Frauen im Land einfordern.
Eine von diesen Abgeordneten ist Miriam Gruß, 32 Jahre jung, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag und Mutter eines vierjährigen Sohnes. In ihrem früheren Beruf als selbstständige Wirtschaftsberaterin hat sie erfahren, wie schwierig sich der berufliche Wiedereinstieg nach der "Babypause" gestalten kann.
Denn als die Augsburgerin ein Jahr nach der Geburt des kleinen Nikolas wieder arbeiten wollte, scheiterte dies zunächst daran, dass sie keinen Betreuungsplatz für ihn fand. "Ich habe gedacht, das kann doch nicht wahr sein", erinnert sich die studierte Politologin mit den schulterlangen blonden Haaren. "Ich bin qualifiziert, ich bin leistungsbereit, und trotzdem wird es mir so schwer gemacht, in meinen Beruf zurückzukehren."
Mit dem Ansatz von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), über ein deutlich erhöhtes Angebot an Krippenplätzen für unter Dreijährige jungen Müttern die frühzeitige Rückkehr in den Beruf zu ermöglichen, zeigt sie sich daher sehr einverstanden. Allerdings: "Die Frage nach der Qualität der Einrichtungen hat die Große Koalition bei der Diskussion um die Erhöhung der Zahl der Betreuungsplätze weitgehend ausgeklammert", so die Parlamentarierin. "Dabei liegt gerade hier einiges im Argen." Gruß, deren Wahlkreis Augsburg-Stadt ist, findet auch die vom Kabinett beschlossene Erhöhung des Kindergeldes "richtig und wichtig". Um gleich hinzuzufügen, dass die Regierung "so eine Art ‚Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Spiel' betreibt, wenn sie einerseits das Kindergeld erhöht, andererseits durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und Streichung von Eigenheimzulage und Pendlerpauschale gerade den Familien das Geld wieder aus der Tasche zieht".
Keine Frage: Miriam Gruß, die bei den Bundestagswahlen 2005 über die bayerische Landesliste der FDP äußerst knapp ins Parlament einzog und sich damit einen "Lebenstraum" erfüllte, wie sie einmal der "Süddeutschen Zeitung" verriet, hat sich schnell in die Rolle einer engagierten Anwältin für die Rechte von Kindern und Familien eingefunden. Profitiert hat sie dabei - wie andere Nachwuchs-Talente in der FDP-Fraktion auch - von der Unterstützung durch Parteichef Guido Westerwelle, den sie prompt ihr politisches Vorbild nennt - wegen seiner Eloquenz und "weil er seine Sache richtig, richtig gut macht".
Auf ihrem Weg vom "Küken zur gefragten Familienpolitikerin" ("Augsburger Allgemeine") musste die begeisterte Klavierspielerin allerdings auch Lehrgeld bezahlen. So etwa als die "Bild"-Zeitung sie mitten im Sommerloch 2007 mit der Forderung zitierte, die beliebten Überraschungs-Eier der Süßwarenfirma Ferrero zu verbieten, da Kleinkinder nicht zwischen Süßigkeiten und Spielzeug unterscheiden könnten und daher erhöhter Erstickungsgefahr ausgesetzt seien. Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung los; in Zeitungen und Internetforen wurde Gruß für ihre angebliche Äußerung heftig kritisiert. Gruß selbst sieht sich als Opfer einer wissentlich falschen Berichterstattung der "Bild"-Zeitung. "Ich habe nie gefordert, das Überraschungs-Ei abzuschaffen", erklärt sie, und man spürt, dass ihr die Geschichte noch immer nachgeht. "Es war lediglich ein Appell an die Industrie, bei zukünftigen Entwicklungen darüber nachzudenken, ob man Spielzeug und Nahrung nicht trennen kann."
Ihrer politischen Karriere hat die "Ü-Ei-Affäre" aber offensichtlich nicht geschadet: Vor vier Wochen wurde sie von der Augsburger FDP als Kandidatin für die Bundestagswahl 2009 aufgestellt. Und erzielte dabei mit 30 von 31 Delegiertenstimmen ein hervorragendes Ergebnis.