bundesversammlung
1.224 Mitglieder wählen am 23. Mai das Staatsoberhaupt
Bisher ist Ottfried Fischer und Kurt Beck wenig gemein. Den "Bullen von Tölz" und den Landesvater von Rheinland-Pfalz verbindet, soweit bekannt, lediglich eine gewisse Leibesfülle. Der hell-blonde Schopf scheint bislang die einzige Gemeinsamkeit von Polizeiruf-Kommissar Uwe Steimle und Hamburgs Erstem Bürgermeister Ole von Beust zu sein. Und IG-Metall-Chef Berthold und Ex-CSU-Chef Erwin Huber teilen bisher wohl auch nicht mehr als den Nachnamen. Das gilt bis zum 23. Mai. Danach wird die sechs Männer eine gemeinsame Erfahrung verbinden: die Wahl des Bundespräsidenten. Sie alle sind nämlich Mitglied der 13. Bundesversammlung.
Die Wahl des Staatsoberhauptes ist die einzige Aufgabe der Versammlung, die alle fünf Jahre zusammentritt. Neben den derzeit 612 Mitgliedern des Bundestages gehört ihr laut Grundgesetz eine gleiche Zahl von den Ländern zu wählenden Mitgliedern an. Neben aktiven und ehemaligen Politikern nominieren die Parteien dafür regelmäßig auch mehr oder minder Prominente aus dem öffentlichen Leben: Schauspieler, Gewerkschafter, Schriftsteller, Sportler, Unternehmer. Wen die Länder entsenden, ist ihnen freigestellt. Die Nominierten müssen mindestens 18 Jahre alt und deutsche Staatsbürger sein - weitere Kriterien geben weder das Grundgesetz noch das "Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung" vor. Auf Basis der Einwohnerzahl der Länder errechnet sich die Zahl der von den Landesparlamenten entsprechend der jeweiligen Fraktionsstärke zu wählenden Bundesversammlungsmitglieder.
Trotz der Großen Koalition, die mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Bundestag derzeit nahezu alles beschließen kann, gibt es in der 13. Bundesversammlung keine klare Mehrheit für einen Kandidaten. Das liegt einerseits daran, dass die Koalitionäre Union und SPD mit Horst Köhler und Gesine Schwan eigene Kandidaten ins Rennen um das höchste Staatsamt schicken. Das liegt aber auch an der im mittlerweile etablierten Fünf-Parteien-System fortgeschrittenen Zersplitterung zumindest des linken Lagers. Denn auch Die Linke stellt mit dem Schauspieler Peter Sodann einen eigenen Kandidaten zur Wahl.
497 der 1.224 Mitglieder der Bundesversammlung entsenden die Unionsparteien. Die SPD ist mit 418 Wahlleuten in der Versammlung vertreten. Die FDP stellt 107 Mitglieder, die Grünen 95 und die Linkspartei 90. Darüber hinaus gehören der 13. Bundesversammlung mit Henry Nitzsche, ehemals CDU, und Gert Winkelmeier, Linkspartei, zwei fraktionslose Mitglieder des Bundestages an. Zehn Mitglieder der Bundesversammlung stellen die Freien Wählern aus Bayern, vier die rechtsextremen Parteien NPD (3) und DVU (1). Der Südschlewigsche Wählerverband aus Schleswig-Holstein ist mit einer Wahlfrau vertreten.
Amtsinhaber Horst Köhler, von CDU, CSU und FDP nominiert, kann mit 604 Stimmen rechnen - sofern alle Wahlleute der drei Parteien für ihn stimmen. Das reicht aber nicht, da in den ersten beiden Wahlgängen die absolute Mehrheit von 613 Stimmen nötig ist, um gewählt zu sein.
Deutlich hinter dieser Marke scheint zunächst auch SPD-Kandidatin Gesine Schwan, 2004 bereits von der damaligen rot-grünen Koalition gegen Köhler ins Rennen geschickt, zu liegen. Auch wenn Sozialdemokraten und Grüne geschlossen für die Politologin stimmen sollten, käme sie nur auf 513 Stimmen. Auf Stimmen der Linkspartei kann Schwan erst hoffen, wenn diese Sodann nach einem ersten Wahlgang zurückziehen sollte.
Der vierte Kandidat, der von der NPD nominierte nationalistische Liedermacher Frank Rennicke, dürfte kaum mehr als die vier Stimmen von NPD und DVU auf sich ziehen.
Ob die Bundesversammlung dennoch bereits nach dem ersten Wahlgang beendet ist, könnte in den Händen der Freien Wähler liegen. Stimmen sie geschlossen - wie vom Parteivorsitzenden Hubert Aiwanger jüngst bekräftigt - für Horst Köhler und fehlt diesem nicht mehr als eine Stimme aus dem eigenen Lager, ist der amtierende Bundespräsident auch der neue. Dass Gesine Schwan im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht, gilt indes als höchst unwahrscheinlich.
Reißt auch Köhler im ersten Wahlgang die Latte, könnten im zweiten Durchgang die Stimmkarten neu gemischt werden. Auch in diesem Wahlgang ist die absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich, es können aber sowohl Kandidaten zurückgezogen wie neue nominiert werden. Wahlvorschläge kann jedes Mitglied der Bundesversammlung schriftlich beim Bundestagspräsidenten, der die Versammlung leitet, zusammen mit einer Zustimmungserklärung des Vorgeschlagenen einreichen.
Zieht die Linkspartei Sodann dann zurück und stimmen SPD, Grüne und Linke geschlossen für Schwan, käme sie auf 603 Stimmen. Sollten auch Winkelmeier und die SSW-Abgeordente für Schwan stimmen - was nicht unwahrscheinlich ist,, käme sie gar auf 605.
Auch wenn Schwan 2004 mindestens sieben Stimmen aus dem Köhler-Lager erhalten hatte und diesem damals 18 Stimmen aus dem schwarz-gelben Lager fehlten, scheint dieses Szenario eher unwahrscheinlich, da mittlerweile mehrere Abgeordnete von SPD und Grünen angekündigt haben, ihre Stimme voraussichtlich nicht Gesine Schwan zu geben.
Erreicht auch in der zweiten Runde keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, folgt ein dritter, in dem die einfache Mehrheit der Stimmen ausreichend ist. Spätestens nach diesem Wahlgang gibt es also einen Sieger - oder eine Siegerin.