Den Stein, den der Bundeskanzler ins bewegte Wasser geworfen hat, zieht Kreise bis in die so genannte politische Provinz. Erfolgt am 18. September die vorgezogene Bundestagswahl, dann dauert es gerade einmal sechs Monate, bis auch in Rheinland-Pfalz die Wähler an die Urnen gerufen werden. Die Auswirkungen sind wechselseitig: Die Bundestagswahl kann die Landtagswahl in Mainz am 26. März 2006 beeinflussen, aber auch umgekehrt hätte ihr Ausgang einen womöglich entscheidenden Impuls für die Bundespolitik.
CDU-Landesvorsitzender Christoph Böhr geht mit stolz geschwellter Brust als Herausforderer in die politische Auseinandersetzung mit dem regierenden Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD). Erst vor wenigen Wochen übte sich die rheinland-pfälzische CDU auf einem Parteitag in neuer Geschlossenheit, ließ die Grabenkämpfe hinter sich und versah Böhr durch das Wahlergebnis von 93,6 Prozent mit einem großen Vertrauensvorschuss. Dabei ist es noch nicht lange her, dass von der Basis starke Zweifel laut geworden waren, ob der biedere Böhr überhaupt der Richtige sei, um den in der Pfalz fest verankerten Beck zu gefährden.
Diese Zeiten scheinen endgültig vorbei zu sein. Sogar sein innerparteilicher Rivale, der Bundestagsabgeordnete Peter Rauen, steckte zurück und forderte die Delegierten auf, den Vorsitzenden zu unterstützen. Dieser strotzte vor Selbstbewusstsein und verkündete: "In zehn Monaten will ich neuer Ministerpräsident in Mainz werden - so wie Jürgen Rüttgers in Düsseldorf." Böhr rief den Delegierten die früheren CDU-Ministerpräsidenten Altmeier, Kohl und Wagner ins Gedächtnis und betonte, alles, auf das die SPD heute stolz sei, seit vor 1991 von den Christdemokraten auf den Weg gebracht worden. Böhr - einer der Stellvertreter der CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel - versprach "einen Aufbruch in Rheinland-Pfalz für mehr Beschäftigung und mehr Wachstum".
Böhr will einen "Mobilisierungswahlkampf" führen, wobei der Trierer auf gute Umfragewerte zählen kann. Derzeit liegt die Union bei rund 40, die SPD bei 39 Prozent. Auch in der Frage der Listenaufstellung konnte der Parteichef punkten: Zum ersten Mal wird die CDU am 16. Juli eine Landesliste aufstellen. Dass Personen nicht mehr eine entscheidende Rolle spielen, sei am Beispiel von Heide Simonis in Kiel deutlich geworden, macht sich die CDU in Mainz Mut. Die inhaltlichen Weichen sollen im Herbst gestellt werden.
Sollte bei der voraussichtlich im September stattfindenden Neuwahl des Bundestages die Union gemeinsam mit der FDP gewinnen, dann muss sich dies nicht unbedingt positiv für Böhr auswirken. Oft führen Wahlen im Bund zu einer Gegenreaktion der Wähler auf Landesebene. Vor allem, wenn die siegreichen Parteien ankündigen, welche Opfer sie den Bürgern abverlangen wollen. Mit anderen Worten: Ein Sieg Angela Merkels wäre für die SPD/FDP-Koalition in Mainz vorteilhafter als für die Opposition.
Auch haben die in Mainz mitregierenden Freien Demokraten bisher nicht zu erkennen gegeben, dass sie Beck die Gefolgschaft aufkündigen wollen. Seit vielen Jahren ist die FDP der kleine Weggefährte im Land der Reben, der sich geschickt dem jeweils größeren Partner anpasst - mal CDU, mal SPD. So ist es für den Spitzenkandidaten Rainer Brüderle auch kein Widerspruch, in Berlin als stellvertretender Bundesvorsitzender künftig eventuell mit der Union zu koalieren, in Mainz aber sein Häuflein Liberaler weiterhin auf die SPD einzuschwören. Mitregieren heißt die Devise.
Wahlforscher halten es durchaus für möglich, dass sich die rheinland-pfälzische SPD von der bundesweiten Abwärtsbewegung befreien kann. Hinzu komme die Persönlichkeit Kurt Becks, der immer stärker eine Rolle mit wachsendem Einfluss als stellvertretender Bundesvorsitzender spiele. Da könnten sich unerwartet neue Chancen für den rustikalen Pfälzer auftun, der seine politischen Ambitionen nicht gerne auf den Markt trägt. Schließlich ist das Reservoir an vorzeigbaren, kompetenten und vor allem ministrablen Sozialdemokraten in den letzten Jahren stark geschrumpft.
SSollte die Mainzer CDU an die jahrelange Dominanz unter Helmut Kohl anknüpfen können, dann wird die Übermacht von CDU und CSU im Bundesrat noch einmal ausgebaut. Unterdessen haben auch die Grünen in Rheinland-Pfalz mit ihren Wahlvorbereitungen begonnen. Sie sehen es als Vorteil an, dass die Bundestagswahl nun über ein Jahr früher kommen soll. Sonst nämlich wäre die Landtagswahl als Test mit Blick auf die Bundestagswahl gewertet worden. Am 17. Juli wollen die Grünen ihre Liste für September aufstellen.