Der Wähler ist ein neugieriges Wesen. Alles will er wissen, nie gibt er sich zufrieden. Kaum verkündet eine Partei, sie werde die Steuern senken, nervt er mit der Frage, wie das denn Bitteschön finanziert werden könne. Ist die Rede von sozialen Einschnitten, will er wissen, wo genau gekürzt werden solle. Unangenehm ist das. Und geradezu fatal im Wahlkampf - einer Zeit, wo traditionell alles versprochen, aber nichts konkretisiert wird.
Wer will dem Stimmzettel-Ankreuzer denn deutlich sagen, dass die Kassen leer sind, ganz egal, welches Parteibuch beim Finanzminister in der Tasche steckt? Und wer mag schon zugeben, dass auf den Reformkonzepten zwar das Schild "Ganz anders als bei den anderen" pappt, in Wirklichkeit aber genau dasselbe drinsteckt?
Mediale Schützenhilfe, um aus dieser Misere herauszukommen, gab nun ausgerechnet die "Bild"-Zeitung. Mit der Veröffentlichung von Computer-Tomografie-Aufnahmen des Hirns von PDS/WASG-oder wie-auch-immer-das-linke-Bündnis-nun-heißen-mag-Spitzenkandidat Gregor Gysi versorgte sie die Wähler mit Informationen, die sie nie haben wollten und lenkt so von anderen lästigen Themen ab. Gregor Gysi ist darüber, verständlich, ziemlich sauer: Der Leser darf nun schließlich selbst entdecken, was im Kopf des Oberlinken alles vorgeht. Nicht ungefährlich bei einem Politiker, der von sich selbst behauptet, er sei nach seiner Hirnoperation nicht bekloppter als vorher!
Um solche unerwünschten Einblicke von Fremden in das eigene Ego möglichst zu vermeiden, geht FDP-Chef Guido Westerwelle lieber gleich in die Offensive. Auf seiner Homepage ist zwar nicht zu erfahren, wie genau das vereinfachte Steuersystem aussehen soll, dafür aber ist zu lesen, dass der 18-Prozent-Mann seinen Kaffee mit Milch und Zucker trinkt und gern frisches Obst auf seinem Schreibtisch vorfindet. Und damit ihm keiner den Vorwurf machen kann, er verschweige irgendetwas, schiebt der Liberale gleich noch die Information hinterher, dass seine Sekretärin gern auf Inline-Skates durch Berlin kurvt. Da fällt die Wahlentscheidung leicht - hinterher kann niemand behaupten, er habe nicht gewusst, was auf ihn zukommt! Dass diese Strategie nicht nur wahlentscheidend sein, sondern auch der Wahrheitsfindung dienen kann, bewies gerade der Prozess gegen Michael Jackson. Vor aller Welt wurde dort über Details des Genitalbereichs des Sängerns fachgesimpelt, zum besseren Verständnis sogar mit Skizze. Da der Mann nun freigesprochen ist, scheinen sich die Indiskretionen gelohnt zu haben.
Also keine Angst vor Enthüllungen! Das gilt auch für Angela Merkel. Sie könnte sich ja beim morgendlichen Zähneputzen, gern noch verschlafen im Pyjama, ablichten lassen. Wer würde dann noch wissen wollen, wie sie als Kanzlerin künftig den Zahnersatz finanzieren will? Und angesichts solcher Bilder dürften auch dem interessiertesten Wähler die nervenden Fragen vergehen.