Sieben Monate vor der Bundestagswahl werden die Rufe nach einer Reform des Wahlrechts immer lauter. "Wir können nicht einfach nach einem verfassungswidrigen System wählen", sagte SPD-Chef Franz Müntefering am Mittwoch vergangener Woche. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezeichnete es als "unbedingt erwünscht und bei gutem Willen auch möglich", noch vor der Wahl im September die Mängel zu korrigieren.
Hintergrund für diesen Bezug auf die Verfassung ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2008, das eine Klausel des Wahlrechts als verfassungswidrig eingestuft hatte. Gemeint hatten die Richter jene paradoxen Regelungen im Verfahren der Mandatszuteilung, aus denen sich der Effekt des "negativen Stimmgewichts" ergibt. Das bedeutet, dass ein Zugewinn von Zweitstimmen einer Partei zu einem Mandatsverlust dieser Partei und umgekehrt die Verringerung der Anzahl der Zweitstimmen zu einem Mandatsgewinn führen kann. Dieser Effekt tritt im Zusammenhang mit Überhangmandaten auf, die Parteien dann erhalten, wenn sie in einem Bundesland mehr Direktmandate erringen, als ihnen nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen.
Die Grünen haben am 11. Februar nun einen Gesetzentwurf ( 16/11885) vorgelegt, um das Wahlrecht noch in dieser Legislaturperiode zu ändern. Nach den Vorstellungen der Fraktion sollen die Parteien künftig ihre jeweiligen Überhangmandate bundesweit verrechnen.