MEDIENPREIS
Die Auszeichnung des Bundestages wird immer beliebter. Dieses Jahr haben zwei »Spiegel«-Reporter gewonnen - mit einem Beitrag über die »Nachtseiten der Demokratie«
Whuwhuhu" lautete die kurze, aber enthusiastische SMS aus Indien. "Whuwhuhu", das war Dirk Kurbjuweits Kommentar aus dem Ausland zur Nachricht seines Kollegen Christoph Schwennicke: Sie hatten gerade den Medienpreis des Deutschen Bundestages 2009 gewonnen. Die beiden Reporter des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" setzten sich mit ihrem Beitrag "Gefährliche Trägheit", erschienen im Mai 2008, durch. Nominiert waren ebenfalls Thorsten Alsleben vom ZDF sowie Falko Siewert und Jan Rentzow von der Berliner Boulevardzeitung B.Z. Am 12. Februar verlieh Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) Schwennicke, stellvertretend für beide Journalisten, den Preis während des Presseempfangs des Bundestagspräsidenten.
Schwennicke sagte in seiner Danksagung, "ich bin ungefähr so aufgeregt wie bei meiner Aufnahmeprüfung an die Journalistenschule in München". Er bedankte sich unter anderem beim Bundestag, der "honorigen Institution", die diesen Preis ausgelobt habe. "Dass ein Redakteur des ,Spiegels', auch noch als solcher ausgewiesen, den Bundestag als honorige Institution bezeichnet, gehört zu meinen seltenen Erfolgserlebnissen", meinte Lammert darauf sichtlich zufrieden.
"Eine gewisse Hoffnung hatte ich natürlich, dass wir gewinnen, aber die beiden anderen nominierten Beiträge waren ebenfalls sehr gut und entsprachen eher der Ausschreibung", gab Schwennicke im Gespräch mit dieser Zeitung zu. Für ihren Beitrag hatten die beiden Reporter unter anderem Orte in Ostvorpommern und Bayern besucht, wo sich das Desinteresse an politischer Beteiligung nach Meinung der Autoren besonders zeigt. Umfragen zur Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland sowie Aussagen von Politikwissenschaftlern ergänzten die Beobachtungen.
Insgesamt 50 Bewerbungen waren bei der aus sieben renommierten Hauptstadt-Journalisten bestehenden Jury eingegangen. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. "Nicht nur die Zahl der Bewerber ist größer geworden, auch die Qualität der eingereichten Arbeiten hat zugenommen", freute sich Peter Frey, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios und Vorsitzender der Jury. Zu den 50 Beiträgen gehörten 19 Zeitungsartikel, 17 Hörfunk- und 9 Fernsehbeträge, 4 Internetangebote und 1 Film. Unter der "Vielzahl von qualitativ hochwertigen Arbeiten" seien erfreulich viele aus der Regionalpresse eingereicht worden. "Viele haben einen frischen Blick auf das politische Geschehen und sind uns hochwillkommen", sagte Frey.
"Ganz besonders gefreut" habe er sich über den Beitrag von Jan Rentzow und Falko Siewert vom November 2008. Rentzow sei zum Zeitpunkt seiner B.Z.-Serie "Berlin, Zentrum der Macht" über prominente und weniger prominente Mitarbeiter des Bundestages noch Volontär gewesen. Seine Arbeit habe durch "kurze, klare, fantasievolle Sätze" überzeugt sowie durch Siewerts "prägnante Bilder", so Frey. Den Fernsehbeitrag "Stationen eines Rettungspaketes" von Thorsten Alsleben für das ZDF-"heute journal" vom Oktober 2008 lobte Frey als "vorbildliche Fernsehberichterstattung". Alsleben hatte die Stationen des ersten Konjunkturpaketes mit Hilfe von Satellitenbildern des Internetangebotes "Google Earth" nachgezeichnet.
Jury-Mitglied Klaus Rost, Chefredakteur der Märkischen Allgemeinen in Potsdam, lobte in seiner Laudatio Kurbjuweits und Schwennickes "kontrastreichen und temporeichen Beitrag" über die "Nachtseiten der deutschen Demokratie". Obwohl jedes Medium das Thema "Politikverdrossenheit" schon ausführlich behandelt habe, "haben sie uns nicht gelangweilt". Das sei das höchste Lob für einen Journalisten, das es gebe. Beide gehörten zu den erfolgreichen Journalisten, die Maßstäbe setzten, an denen sich jüngere Kollegen orientieren könnten.
Dirk Kurbjuweit war Redakteur bei der Wochenzeitung "Die Zeit", bevor er 1999 als Reporter zum "Spiegel" nach Berlin wechselte. Neben seinen journalistischen Arbeiten veröffentlichte er bisher unter anderem zwei Romane, die in der Politik spielen, und zwei Sachbücher. Christoph Schwennicke arbeitete für die "Badische Zeitung" zunächst in Freiburg und dann in Bonn, bevor er zur "Süddeutschen Zeitung" ging. Seit 2007 arbeitet er als Reporter im Hauptstadtstudio des "Spiegel".
"Es gibt für mich kaum ein journalistisch reizvolleres Feld als Politikberichterstattung", so Schwennicke. "Hier trifft man auf außergewöhnliche Personen in einem außergewöhnlich harten Geschäft." Es sei die Kombination von "Konkurrenz, Macht, hochrelevanten Themen, und die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit einzubinden", die ihn fasziniere. Das harte Geschäft habe natürlich seine Schattenseiten. Es falle ihm immer noch schwer, "Dingen und Themen gerecht zu werden", was eine "erhebliche Anspannung" mit sich bringe. Zu den schwierigen Aspekten gehöre es, harte Urteile über Personen zu veröffentlichen, den Betroffenen danach gegenüber zu treten und zur eigenen Meinung zu stehen. "Das Schwierigste ist es aber, Fehler einzugestehen. Denn wenn er einmal veröffentlicht ist, bleibt der Artikel in der Welt", sagte Schwennicke.