Warschauer PAKT
Bis 1989 bestimmte er die Landkarte Osteuropas - dann zerfiel er innerhalb von zwei Jahren
Die "Warschauer Vertragsorganisation" (WVO), wie der Warschauer Pakt offiziell hieß, wurde am 14. Mai 1955 durch den "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand" gegründet. Vertragspartner waren die sozialistischen Staaten Albanien, Bulgarien, Ungarn, die DDR, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion. Die Schaffung dieses Bündnisses ging auf eine Initiative Moskaus zurück und stellte die erste direkte Antwort auf die Nato-Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland dar. Mit dem Beitritt der DDR zu einem Militärblock sollte die Zwei-Staaten-Politik in Bezug auf Deutschland untermauert und die Militärpräsenz der Sowjetunion in Osteuropa völkerrechtlich verankert werden.
Mit der Schaffung des Warschauer Paktes endete die Konsolidierungsphase der beiden Militärblöcke, die ungeachtet der düsteren Prophezeiungen der Nato-Experten von einer Entspannungspolitik begleitet wurde. Christian Nünlist weist zu Recht in seinem Beitrag des Sammelbandes "Der Warschauer Pakt" darauf hin, dass Nikita Chruschtschows Charmeoffensive, beide Militärblöcke gleichzeitig aufzulösen, als ein erstes Zeichen der Schwäche des planwirtschaftlichen Systems in Osteuropa bewertet werden muss. Die Sowjetunion brauchte die Entspannungspolitik, um die enorm hohen Rüstungsausgaben reduzieren zu können.
Innerhalb des Ostblocks war der Warschauer Pakt ein wirksames Instrument der Einflussnahme und militärisch-politischen Kontrolle, schreibt der Abteilungsleiter Forschung am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam, Winfried Heinemann. 15 Autoren aus den ehemaligen Mitgliedstaaten der WVO sowie Wissenschaftler aus der Schweiz, den USA und Deutschland folgten der Einladung des Forschungsamtes, um die Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander sowie ihr Verhältnis zur Sowjetunion zu analysieren. Dabei herausgekommen sind glänzende Studien: Insbesondere die Arbeiten von Torsten Diedrich, Andrzej Paczkowski, Csaba Békés, Christopher Jones und Mark Kramer sind empfehlenswert.
Die Autoren betonen, dass jeder der Vertragspartner versuchte, von der Mitgliedschaft im Warschauer Pakt zu profitieren. Beispielsweise erhoffte sich Sofia von der intensiven militärischen Zusammenarbeit mit Moskau die Garantie, dass Bulgarien seine Landesverteidigung "auf hohem Niveau halten konnte - trotz des ungünstigen Verhältnisses von Größe und Bewaffnung seiner Streitkräfte im Vergleich zur Türkei und zu Griechenland", schreibt Jordan Baev. Polen wiederum strebte nach einer weiteren Institutionalisierung der Zusammenarbeit im Bündnis, um so die sowjetische Deutschlandpolitik beeinflussen und eine Revision der deutsch-polnischen Grenze verhindern zu können.
Darüber hinaus bedeutete die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt einen Überlebensschutz für die kommunistischen Regime in Osteuropa. Wie die Ereignisse 1956 in Ungarn oder 1968 in Prag gezeigt hatten, konnte die abschreckende Wirkung der sowjetischen Militärmaschinerie auf die Gegner des sozialistischen Modells nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Mit dem Einfluss des Warschauer Pakts auf Staat, Militär und Gesellschaft der DDR beschäftigt sich der Beitrag Torsten Diedrichs. Da die ostdeutschen Archive zugänglich sind, konnte der Historiker im Unterschied zu seinen Kollegen aus den osteuropäischen Staaten die politischen Ziele und die militärischen Pflichten des Ostberliner Regimes im Warschauer Pakt detailliert nachzeichnen. Er bestätigt, dass die Volkswirtschaft der DDR die Militarisierung des Landes kaum finanzieren konnte. Bereits 1972 hatte Ostberlin die Sowjetunion gebeten, die Planungen für den Zeitraum von 1973 bis 1975 um eine Milliarde Ost-Mark zu reduzieren. Diedrich macht in den hohen Militärausgaben einer der Ursachen für den Niedergang der DDR aus, wenn es auch nicht der entscheidende gewesen sei.
Diese Analyse trifft auch auf die Sowjetunion und die übrigen sozialistischen Staaten zu, deren Planwirtschaften die hohen Rüstungskosten nicht mehr tragen konnten. Zu den Besonderheiten des Niedergangs der DDR gehörte jedoch die Erosion des Glaubens an den Sozialismus. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch das Verbot der Ideen von Perestrojka und Glasnost. Plötzlich war der seit Jahrzehnten glorifizierte Waffenbruder Persona non grata. Die Veränderung der sowjetischen Militärdoktrin unter Michael Gorbatschow zerstörte das alte Feindbild nachhaltig und führte direkt zur Delegitimierung der Nationalen Volksarmee und des "militärischen Sozialismus".
Die Breschnew-Doktrin der militärischen Einmischung wurde am 25. Oktober 1989 aufgegeben. Gorbatschows Pressesprecher erklärte damals, sein Chef habe gerade die "Sinatra-Doktrin" verabschiedet. In Anspielung auf das Lied "I Did It My Way" sagte er, Polen und Ungarn "are now doing their way". Zwei Jahre später löste sich der Warschauer Pakt auf.
Der Warschauer Pakt.
Ch. Links Verlag, Berlin 2009; 368 S., 34,90 ¤