ISRAEL
Noch ist keine Koalition in Sicht. Präsident Peres hat Benjamin Netanjahu jetzt mehr Zeit gegeben
Seit fast einem Monat bemüht sich der designierte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schon um die Bildung einer Regierungskoalition. Am 20. März bat er bei Präsident Schimon Peres nochmals um eine Verlängerung der Frist um 14 Tage.
Dabei liegen in Mehrheitsverhältnisse in der Knesset so, dass der 59-jährige Netanjahu die zum Regieren notwendige Anzahl von Parlamentariern eigentlich mit Leichtigkeit auf den Regierungsbänken vereinen könnte. Immerhin hat sein konservativer Likud-Block Mitte März bereits eine Koalitionsvereinbarung mit der Rechtspartei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Avigdor Lieberman unterschrieben. Eine Koalition der beiden Parteien gemeinsam mit der der Nationalen Union, der Partei "Das jüdische Haus" und den beiden orthodoxen Parteien würde über eine Mehrheit von 65 der 120 Knesset-Mandate verfügen. Doch ausgerechnet diese vergleichsweise homogene Rechtskoalition will Netanjahu nicht.
Noch im Wahlkampf hatte Netanjahu gesagt, der ärgste Fehler seiner ersten Amtsperiode von 1996 bis 1999 sei gewesen, keine Einheitsregierung unter Beteiligung der moderaten Kräfte wie der Arbeitspartei gebildet zu haben. Es ist nämlich eine Sache, selbst am rechten Rand einer Regierung zu sitzen. Eine andere sei es, als Vorsitzender einer nationalistischen Rechtspartei wie des Likud die Vorstöße der Koalitionspartner ausbremsen zu müssen, die den Regierungschef noch rechts überholen wollen. Ohne Kadima oder die Arbeitspartei wäre Netanjahu der realpolitische Linksaußen und Bremser in seiner Koalition - eine Rolle, die ihm ganz und gar nicht auf den Leib geschrieben ist und seinem und dem Ansehen des Likud Schaden zufügen könnte.
So traf Netanjahu sich in der vergangenen Woche erneut mit Außenministerin und Kadima-Chefin Zipi Livni, um über einen möglichen Koalitionsbeitritt der Kadima-Partei zu beraten - vergeblich. Livni blieb bei ihrer Forderung, im Koalitionsvertrag eine Zwei-Staaten-Lösung als Ziel der diplomatischen Bemühungen im Rahmen des Friedensprozesses mit den Palästinensern festzuschreiben. Darauf aber wollte Netanjahu sich nicht einlassen. Man sei ja schließlich sogar Livnis Forderung nach einer Rotation an der Regierungsspitze nachgekommen, hieß es aus dem Likud. Netanjahu soll gar vorgeschlagen haben, er werde für drei Jahre in die Residenz des Ministerpräsidenten einziehen, Livni dürfe das Land anschließend noch für die verbleibenden 21 Monate regieren. Die Außenministerin lehnte ab: Eine solche Regelung sei für sie nur dann akzeptabel, wenn sie auch ihr politisches Programm verwirklichen könne. Und dazu gehöre nun einmal auch die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung.
Als Netanjahu schließlich einsehen musste, dass Livni es mit ihrer Absage Ernst meinte, wandte er sich der Arbeitspartei zu. Die Traditionspartei war bei den Parlamentswahlen am 10. Februar auf 13 Mandate abgestürzt. Die Mehrheit der Abgeordneten ist sich einig, dass nur eine Neuorientierung auf den Oppositionsbänken der Partei die Möglichkeit gebe, sich als echte politische Alternative neu zu positionieren.
Doch ausgerechnet der Parteivorsitzende der Arbeitspartei und noch amtierende Verteidigungsminister Ehud Barak teilt diese Sichtweise nicht. Das liegt wohl auch daran, dass der ehemalige Armeechef und Ministerpräsident seinen Posten im Verteidigungsministerium nur ungern aufgeben möchte. Wiederholt hatte Barak in den vergangenen Wochen erklärt, der Wähler wolle die Arbeitspartei in der Opposition sehen - gemeint hat er es nie. Er wollte vor allem jene Parteikollegen ruhig stellen, die sich vehement gegen eine Koalitionsbeteiligung ausgesprochen hatten. Noch am 18. März hatte Barak dem Generalsekretär der Partei, Eitan Cabel, versichert, es fänden überhaupt keine Verhandlungen statt. Nur Stunden später - Cabel hatte gerade im Fernsehen behauptet, der Parteichef habe einen Koalitionsbeitritt ausgeschlossen -, sollte Cabel auf Baraks Order plötzlich ein Sondertreffen des Zentralkomitees der Partei einberufen, um über die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung abzustimmen. Für Barak ist die Abstimmung am 24. März auch eine Frage des politischen Überlebens. Setzen sich seine Gegner durch, sind seine Tage als Parteivorsitzender gezählt.
Doch selbst wenn die Arbeitspartei am Dienstag dem Wunsch ihres Vorsitzenden folgen wird, wartet auf Netanjahu schon das nächste Problem: Fünf Ministerien hatte er Israel Beitenu in der Koalitionsvereinbarung zugesichert, ebenso viele Ministerämter hat er nun auch der Arbeitspartei angeboten. So bleiben ihm fast keine Ministerämter mehr, die er unter seinen Parteigenossen verteilen könnte.
Schon jetzt regt sich Widerspruch unter den wichtigen Likud-Politikern. Es könne doch nicht angehen, dass die Regierungspartei des Landes neben dem Posten des Ministerpräsidenten nur noch das Bildungs- und Verkehrsministerium besetze, zitierte die Zeitung "Maariv" einen aufgebrachten Abgeordneten.