Die Bundesrepublik dürfte dem Beispiel anderer Staaten bei der Senkung der Mehrwertsteuer in bestimmten Dienstleistungsbereichen wie der Gastronomie so schnell nicht folgen. Dies zeichnete sich in einer Aktuellen Stunde des Bundestages am 19. März ab. Der FDP-Abgeordnete Ernst Burgbacher wies darauf hin, dass in 22 von 27 Ländern der EU ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie gelte und in elf von 27 Ländern für die Gastronomie. Diese Zahl werde sich nach den jüngsten EU-Beschlüssen, denen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zugestimmt habe, schnell erhöhen. Nur in der Bundesrepublik verweigere Steinbrück Steuersenkungen: "Wer so argumentiert, der setzt die Arbeitsplätze von Hunderttausenden aufs Spiel."
Eduard Oswald (CSU), Vorsitzender des Finanzausschusses, kündigte Veränderungen im Steuerrecht an: "Wer den EU-Nachbarn gestattet, die Mehrwertsteuer zu senken, muss auch im eigenen Land eine Lösung erarbeiten." Oswald verwies auf Ungereimtheiten im System der Mehrwertsteuer, die beseitigt werden müssten. So würden Pralinen und Gänseleber mit sieben Prozent besteuert, Mineralwasser aber mit 19 Prozent. Für Haustierfutter werde sieben Prozent fällig, für Babynahrung 19 Prozent. "Äpfel isst man ermäßigt besteuert. Wenn man sie durch die Presse schickt, wird der Fruchtsaft voll besteuert", so Oswald. Der CSU-Politiker räumte Wettbewerbsverzerrungen im Gastronomiebereich ein, schloss jedoch einen Schnellschuss bei Steuerrechtsänderungen aus.
Barbara Höll (Die Linke) erinnerte an Forderungen der Linken, Waren und Dienstleistungen für Kinder ermäßigt zu besteuern - ebenso wie Medikamente und arbeitsintensive Handwerksleistungen. Lydia Westrich (SPD) wies dagegen darauf hin, dass eine Mehrwertsteuersenkung nicht die wirksamste, aber eine sehr teure Maßnahme sei. So koste die Schaffung eines Arbeitsplatzes durch die Steuersenkung in der Gastronomie 60.000 Euro. Gerhard Schick (Grüne) forderte, Alternativen zu prüfen. Dazu müsse gehören, Handwerkerleistungen besser bei der Steuer zu berücksichtigen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, Nicolette Kressl (SPD), betonte, dass eine ermäßigte Mehrwertsteuer bei Restaurantdienstleistungen zu Steuerausfällen von 3,7 Milliarden Euro führen würde.