Die Umsatzsteuerbefreiung für die Deutsche Post AG wird von den Sachverständigen völlig unterschiedlich beurteilt. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 18. März zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ( 16/11340) erklärte Professor Harald Schaumburg, Universaldienstleistungen seien ohne Einschränkungen von der Umsatzsteuer zu befreien. Diese Dienstleistungen müssten auch gemeinwohlorientiert und flächendeckend sein. Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität sei nicht geeignet, die Umsatzsteuerbefreiung aufzuheben. Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Justus Haucap wies darauf hin, dass nach den Vorschriften des Gesetzentwurfs bisher nur die Deutsche Post AG die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Umsatzsteuer erfülle. Die Post-Konkurrenten würden typischerweise nicht den Transport von Paketen, Briefen und Zeitungen aus einer Hand anbieten. Wenn der Gesetzentwurf so umgesetzt werde, werde nur die Deutsche Post AG von der Umsatzsteuer befreit sein. Die Wettbewerber könnten kaum die Bedingungen für eine Steuerbefreiung erfüllen. Daher sei der Gesetzentwurf nicht geeignet, dass weitere Unternehmen in den Genuss der Steuerbefreiung kommen würden.
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung nach dem Ende des Briefmonopols öffentliche Posteinrichtungen von der Umsatzsteuer befreien. Diese Posteinrichtungen müssen flächendeckend postalische Dienstleistungen zu einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer zur Verfügung stellen. Dagegen verlangt die FDP-Fraktion in einem eigenen Gesetzentwurf ( 16/11674), dass die Umsatzsteuerbefreiung für die Deutsche Post AG wegfällt.
Professor Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt Universität Berlin wies darauf hin, dass nicht nur Postleistungen Teil der Daseinsvorsorge seien. Zur Daseinsvorsorge gehörten ebenso Stromversorgung und Telefon. Für Strom und Telefon müsse jedoch Umsatzsteuer gezahlt werden. Daher habe auch die Post Umsatzsteuer zu bezahlen. Es gebe keinen Grund für diese Ungleichbehandlung. Die Befreiung von der Umsatzsteuer werde auch nicht von europäischem Recht legitimiert. Die Deutsche Post AG sei auch keine öffentliche Posteinrichtung, sondern ein privates Unternehmen, an dem der Staat nur noch indirekt beteiligt sei.
Kleine Post-Konkurrenten wie die Francotyp-Postalia Holding beklagten Wettbewerbsverzerrungen durch den Steuervorteil für die Deutsche Post. Das Unternehmen bearbeite 1,6 Milliarden Sendungen pro Jahr. Die Steuerbelastung führe zu einer Benachteiligung im Wettbewerb, klagte Vorstand Andreas Drechsler. Auch Mario Frusch vom Post-Konkurrenten TNT Post kritisierte, dass es in Deutschland keine Liberalisierung des Post-Marktes gebe. 800 Konkurrenten der Deutschen Post hätten nach zehn Jahren gerade neun Prozent Marktanteil.