AUSSENPOLITIK
Die neue EU-Außenbeauftragte stellte sich den Fragen des Europaparlaments. Viele Antworten blieben offen. Wichtige Zuständigkeiten wurden der Britin schon entzogen
Catherine Ashton, die neue Hohe Beauftragte für Außenpolitik, springt direkt ins kalte Wasser. Keine zwei Wochen ist es her, dass ein Sondergipfel ihr völlig überraschend den wichtigsten Job zuschanzte, den die Europäische Union derzeit zu vergeben hat. Am 2. Dezember, ihrem zweiten Arbeitstag, stellte sie sich den Fragen des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Die Geste kam gut an. Außenpolitik gilt unter den EU-Parlamentariern als prestigeträchtiges und bedeutendes Arbeitsfeld, obwohl es einer der wenigen Bereiche ist, in denen das Parlament kein Mitspracherecht hat. Auch nach der Reform von Lissabon entscheidet der Rat der Regierungen allein und einstimmig.
Dennoch muss Ashton die Beziehungen zu den Abgeordneten ganz besonders sorgfältig pflegen - mindestens bis Ende Januar. In der zweiten Januarhälfte werden nämlich alle Kommissare in den zuständigen Fachausschüssen angehört. Die geben hinterher eine Empfehlung ab. In einer Plenarsitzung wird am Ende die gesamte Kommission bestätigt oder abgelehnt. Da Ashton eine einmalige Zwitterstellung innehat - sie gehört gleichzeitig dem Rat und der EU-Kommission an - muss sie sich dieser Prozedur ebenfalls unterziehen.
Ihre Kritiker stört vor allem, dass sie über nur wenig außenpolitische Erfahrung verfügt. In der Anhörung sagte der konservative britische Abgeordnete Charles Tannock: "In diesem Ausschuss sitzen mehrere ehemalige Außenminister, die die Aufgabe besser hätten ausfüllen können als Sie." Ashton konterte freundlich und mit großer Gelassenheit. Sie habe den Lissabon-Vertrag durch das Oberhaus gepaukt und kenne ihn daher besser als die meisten ihrer Kritiker. Außerdem habe sie als Handelskommissarin seit Oktober 2008 genau die Konferenzen und Gipfel besucht und mit genau denjenigen Partnern gesprochen, die auch für ihre neue Arbeit von Bedeutung seien. In Europäischer Außenpolitik brauche sie daher keine Nachhilfe.
Die britischen Konservativen nutzten die Fragestunde auch für eine innenpolitische Abrechnung. In Großbritannien wird schließlich im Frühjahr eine neue Regierung gewählt. Sie wollten zum Beispiel wissen, ob der russische Geheimdienst KGB die nukleare Abrüstungskampagne finanziert habe, deren Schatzmeisterin Ashton von 1980 bis 1982 war. Da lächelte die ehemalige Aktivistin versonnen: "Wir waren jung und gingen für unsere Überzeugungen auf die Straße. Fast 40 Prozent des Geldes wurden während der Demos gesammelt. Da kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, wer genau da gespendet hat."
Fragen über ihre neue Aufgabe beantwortete Ashton ausweichend. Mehrere Abgeordnete wollten wissen, wie ihr Vorschlag für die Struktur des neuen Europäischen Diplomatischen Dienstes (EAD) aussehen wird, den sie bis kommenden April vorlegen will. Die Parlamentarier sind besorgt, dass die neue Behörde einen unabhängigen Status erhalten und damit vom parlamentarischen Haushaltsverfahren ausgenommen sein könnte. Auch über die Höhe des benötigten Budgets wollte Ashton noch nichts sagen. Zu der heiklen Frage, wie ihr Aufgabenbereich von dem des lettischen Entwicklungskommissars, des tschechischen Kommissars für Erweiterung und Partnerschaftspolitik und der bulgarischen Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenprävention abgegrenzt sein wird, schwieg Ashton ebenfalls.
Die Ressortaufteilung in Manuel Barrosos neuem Kollegium hat viele Beobachter verblüfft. Für 25 Kommissare plus Kommissionspräsident plus Außenministerin reichen die einzelnen Aufgabenbereiche eigentlich nicht aus. Doch Irland hatte ein zweites Referendum zum Lissabon-Vertrag von der Zusage abhängig gemacht, dass auch in Zukunft jedes Land seinen Kommissar in Brüssel behalten würde. Die Portfolios sind so aufgeteilt, dass sich Überschneidungen kaum vermeiden lassen. Damit wird sich auch der neue Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) herumschlagen müssen. Energieaußenpolitik fällt nämlich künftig in die Zuständigkeit der neuen Außen- beauftragten Catherine Ashton. Um Klimaschutz kümmert sich die Dänin Connie Hedegaard. Damit signalisiert Barroso, dass er Ernst machen will mit der Gleichberechtigung. Neun der 27 Mitglieder des Kollegiums sind Frauen - mehr als jemals zuvor.
Das Energieressort erhält darin neue Kompetenzen. Der Lissabon-Vertrag widmet dem Thema einen eigenen Abschnitt. Darin wird festgelegt, dass es Aufgabe der EU ist, für einen funktionierenden Energiebinnenmarkt zu sorgen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Versorgungsnetze der Mitgliedstaaten besser miteinander zu verbinden. Rat und Parlament machen die Gesetze gemeinsam, Dafür reicht künftig eine qualifizierte Mehrheit. Lediglich bei Gesetzen, die Auswirkungen auf das Steueraufkommen haben, entscheidet der Rat weiterhin einstimmig und das Parlament bleibt außen vor. Die Aufgabe von Günther Oettinger ist daher anspruchsvoller, als es auf den ersten Blick aussieht. Das letzte Wort über den Zuschnitt der Ressorts ist allerdings noch nicht gesprochen. Denn die Abgeordneten werden nach den Anhörungen Kommissionspräsident Manuel Barroso sicher einige Zugeständnisse abringen und vielleicht Korrekturen beim Aufgabenbereich einiger Kandidaten verlangen. Ob Oettingers Arbeitsbereich dadurch wächst oder schrumpft, ist aber noch völlig unklar.