LISSABON-VERTRAG
Der Bundestagspräsident sieht nationale Parlamente mehr denn je als »Wächter der Subsidiarität«
Ob das, was er vortragen werde, ein Festvortrag sei, wisse er noch nicht genau, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) anlässlich seiner Rede in der Humboldt-Universität zum Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember. "Eher wahrscheinlich ein Arbeitsbericht von einer Dauerbaustelle, die aber schon weit über das Richtfest hinausgekommen ist." Mit dem Lissabon-Vertrag beginne keine neue Epoche der Weltgeschichte. "Aber mit dem Lissaboner Vertrag werden mehr als ein paar Gerüste von der Baustelle abgeräumt", sagte der Bundestagspräsident.
Lammert begrüßte den Lissaboner Vertrag als "wesentlichen Schritt zur Parlamentarisierung europäischer Entscheidungen". Er betonte, dass es künftig "weder rechtlich noch politisch möglich sei, die Europapolitik weitgehend den Regierungen zu überlassen. Der Bundestag habe mit den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Nachbesserungen an den Begleitgesetzten zum Lissaboner Vertrag sichergestellt, den neuen Anforderungen und Kompetenzen gerecht werden zu können. Die nationalen Parlamente seien nun mehr denn je die "Wächter der Subsidiarität in der EU".
Er habe keinen Zweifel, dass der Vertrag der Europäischen Union mehr Demokratie und Transparenz bringe. Die Erfolgsaussichten beim Kriterium der Effizienz erschienen ihm "noch nicht ganz so ausgeprägt". "Die EU hat künftig drei Präsidenten und eine Vizepräsidentin", merkte Lammert an. Neben Jose Manuel Barroso, dem Präsidenten der EU-Kommission, und dem wechselnden halbjährigen Präsidenten des Europäischen Rates, sind das die neue Doppel-Spitze der EU: der erste ständige Ratspräsident Herman van Rompuy und Catherine Ashton. Die Britin ist neben ihrem Amt als Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auch Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Es gebe damit nicht die eine Telefonnummer, die Henry Kissinger schon vor 15 Jahren angefordert habe, sagte Lammert. Vielleicht wende sich ein ausländischer Staats- oder Regierungschef im Zweifelsfall auch künftig lieber direkt an den französischen Präsidenten oder die deutsche Kanzlerin. "Wenn Sie da einen kleinen Unterton von Enttäuschung eines engagierten Europäers durchhören sollten, dementiere ich das nicht."