KLIMAKONFERENZ
Bundestag debattiert über deutsche Positionen für Verhandlungen in Kopenhagen
Die Zeit läuft. Als Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Morgen des 3. Dezember ans Rednerpult des Bundestages tritt, um über die anstehende Klimakonferenz in Kopenhagen zu sprechen, zeigt die Uhr auf der Website seines Ministeriums: 4 Tage, 0 Stunden, 54 Minuten und 30 Sekunden an. So viel Zeit bleibt in diesem Moment noch bis in der dänischen Hauptstadt die 15. UN-Vertragsstaatenkonferenz eröffnet wird, auf der vom 7. bis 18. Dezember das Unmögliche möglich gemacht werden soll: 192 Länder wollen dort über ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kioto-Abkommen verhandeln.
Norbert Röttgen weiß, dass die Zeit nicht nur läuft, sondern drängt: "Es geht bei den Beratungen auf dieser Konferenz um unsere Art zu leben. Es geht ums Überleben", sagt Röttgen eindringlich. Er kennt die Zahlen und Daten - wie die der "Kopenhagen Diagnose". Einem aktuellen Bericht zur Klimaentwicklung und Klimaforschung, die Ende November von 26 Klimaforschern vorgelegt wurde. "Die Messdaten zeigen, dass wir das Problem eher unter- als überschätzt haben", sagt einer der Verfasser der Studie, Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und nennt Fakten: die globalen, fossilen CO2-Emissionen waren im Jahr 2008 rund 40 Prozent höher als noch 1990, die großen Eisschilde in Grönland und in der Arktis schmelzen schneller als erwartet und auch der Anstieg des Meeresspiegel geht schneller voran als bislang vorhergesagt. Rahmstorf weiß, dass die Erwärmung zwar gestoppt, aber nicht wieder zurückgedreht werden kann. "Wir haben nicht die Möglichkeit Fehler zu machen und das zu korrigieren", sagt er. Auch für den neuen Umweltminister gibt es "zum Erfolg dieser Konferenz keine Alternative".
Trotzdem wurde Röttgen in den letzten Wochen oft gefragt, ob man sich in einem Industrieland wie Deutschland den teuren Klimaschutz überhaupt leisten könne. Er dreht die Frage um: "Könnten wir es uns überhaupt leisten, auf konsequenten, ambitionierten Klimaschutz zu verzichten? Seine Antwort ist klar und eindeutig: "Nein wir können es uns nicht leisten". Auch hier kommt der Faktor Zeit ins Spiel. Klimaschutz, argumentiert er, sei auch ein "ökonomisches und technologisches Wettrennen". Dabei verweist er auf die Vereinigten Staaten. Sie stünden zwar heute noch als weltweiter Klimasünder da, könnten aber Europa in der technologischen Entwicklung im Klimaschutz in einigen Jahren schon ein- oder überholt haben. Der Umweltminister sieht daher im Klimaschutz auch neue Chancen:"Der Schlüssel zur richtigen Antwort liegt in der Technologie", ist sich Röttgen sicher. Es gehe auch um die Sicherung von Wohlstand und Wachstum. "Die Klimakonferenz in Kopenhagen ist zugleich auch die wichtigste Wirtschaftskonferenz", betont er In Kopenhagen habe man viel zu verlieren, aber auch viel zu gewinnen.
Über finanzielle Gewinner und Verlierer sprach der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier (SPD). Wenn man in Kopenhagen ein verbindliches Abkommen erzielen wolle, müsse man über das Klima reden, "aber auch über Geld und zwar vor allen Dingen über zusätzliches Geld für die Entwicklungsländer", sagte der frühere Außenminister. An der Frage der Finanzhilfen für die Entwicklungsländer entzündete sich in der Debatte eine heftige Diskussion. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ( 17/100) sieht vor, dass die Beiträge für die Finanzierung des Klimaschutzes auf das Ziel angerechnet werden, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. "Das Ausspielen von Armut auf der einen Seite und Klimaschutz auf der anderen Seite darf es nicht geben", kritisierte Steinmeier. Die Opposition fordert in ihren Anträgen ( 17/105, 17/115, 17/120), dass diese Gelder zusätzlich zur Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt werden müssten. Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Grüne, verlangte ohne Vorbedingung konkrete Finanzierungszusagen an die Entwicklungsländer zu machen: "Eine erfolgreiche Konferenz wird es nur geben, wenn die historischen Verursacher sich bewegen und in Vorleistung treten", sagte sie. Für Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) hingegen ist Klimaschutz bereits ein integraler Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit. Sein Ministerium sei daher das "eigentliche Klimaministerium", da dort über eine Milliarde Euro im laufenden Etat für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben würden, sagte er.
Nach Meinung der Vorsitzenden des Umweltausschusses, Eva Bulling-Schröter (Die Linke), habe man sich auch in Deutschland bei diesen Klimaschutzmaßnahmen aber "einfach zu viel Zeit gelassen". Als Beispiel nannte sie das sogenannte Zwei-Grad-Ziel. Es sieht vor, dass die globale Erwärmung nicht um mehr als zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen darf. Auch hier sieht sie die Uhr ticken: Denn je später der Höhepunkt der globalen Emissionen erreicht werde, desto stärker müssten die Industrieländer anschließend ihre CO2-Emissonen senken. Dies werde ab einem bestimmten Punkt kaum mehr machbar, sagt Bulling-Schröter. Und es beweist für sie auch:"Der Zeitfaktor wird im Kampf gegen die Erderwärmung immer mehr zur zentralen Herausforderung."