Verkehr
Die Eisenbahnunternehmen sind für die Sicherheit der Fahrzeuge verantwortlich
Die Bahn kommt aus den Negativschlagzeilen nur schwer heraus: ICE-Züge müssen wegen Probleme mit den Rädern stillgelegt werden, in Viareggio (Italien) kommt ein mit Flüssiggas beladener Güterzug aus den Gleisen und explodiert (17 Tote) und in Berlin gibt es seit September ein S-Bahn-Chaos unvorstellbaren Ausmaßes - Züge fallen aus, der Rest ist überfüllt und verspätet. Die zahlende Kunden reagieren gereizt.
Grund für die Unfälle und das Berliner Chaos waren technische Mängel. Die Bahn, die als sicherstes Verkehrsmittel überhaupt gilt, hatte plötzlich ein Vertrauensproblem.
Wer ist daran schuld? Der Antwort auf diese Frage wollte sich der Verkehrsausschuss am 2. Dezember nähern, indem er sich dem Thema "Sicherheit im Eisenbahnverkehr" widmete und dazu das Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG, Ulrich Homburg, und den Präsidenten des Eisenbahnbundesamtes (EBA), Gerald Hörster, geladen hatte
Dabei ist die Rechtslage zunächst einmal eindeutig. Laut dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) sind die Eisenbahnen (Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen) verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und im betriebssicheren Zustand zu halten. Diese mit der Bahn-Strukturreform im Dezember 1993 gesetzlich normierte Eigenverantwortung der Eisenbahnunternehmen berücksichtige die spezielle technische Komplexität des Systems Eisenbahn, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums. Diese "Betreiberverantwortung" entspreche auch dem Europäischen Recht.
Damit die Eisenbahnen in Deutschland dieser gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen können, müssen sie ein spezielles Sicherheitsmanagement nachweisen und besonders qualifiziertes Personal (Betriebsleiter) beschäftigen. Diese Betriebsleiter seien für das Sicherheitsmanagement verantwortlich, schreibt die Bundesregierung weiter. Überprüft werden diese Verpflichtungen durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA).
Der gesetzlich vorgegebenen "Betreiberverantwortung" macht bei der S-Bahn in Berlin, die zur Deutsche Bahn AG (DB AG) gehört, die Verantwortlichkeiten klar. Bahn-Vorstand Homburg wies jedoch daraufhin, dass anders wie im Eisenbahngesetz formuliert, die Bahn schon seit Jahrzehnten keine eigenen Züge mehr baue. Sondern sie kauft sie und der Verkäufer müsse die technische Sicherheit garantieren. Anschließend werden die Züge jedoch nicht vom Hersteller repariert und gewartet, sondern in der Eigenverantwortung der Eisenbahnen.
Dies gilt auch für die S-Bahn in Berlin. Nach einem Unfall am 1. Mai 2009, bei dem ein Rad brach, hatte sich laut Bericht der Regierung die S-Bahn Berlin GmbH in einer Selbstverpflichtung gegenüber dem EBA auf bereits notwendige Maßnahmen zur Kontrolle der Räder festgelegt. Bei einer Sonderprüfung stellte das EBA allerdings fest, dass das Unternehmen der Sicherheitspflicht als Betreiber nur unzureichend nachgekommen war.
Zudem habe es Probleme mit der Bremsen gegeben, die bei einer turnusmäßigen Überprüfung durch die S-Bahn aufgefallen waren. Deshalb habe sich die S-Bahn am 7. September 2009 entschlossen, alle Fahrzeugen, bei denen solche Mängel bestehen könnten, außer Betrieb zu nehmen, zu überprüfen und mangelhafte Bremszylinder auszutauschen. Von dieser Maßnahme seien rund 80 Prozent der 360 S-Bahn-Viertelzüge betroffen gewesen.
Damit war das Chaos da.
Ursache für die fehlerhaften Instandhaltung der Bremsen sei "Schlamperei" gewesen, sagte Bahnvorstand Homburg. Dabei macht er allerdings nicht das Personal vor Ort für diese "Schlamperei" verantwortlich. Das habe keine "ordentliche Arbeitsanweisung" bekommen und somit nicht gewusst, was es machen sollte. Die Sache werde weiter untersucht. Jetzt seien aber die Bremszylinder "in ordnungsgemäßem Zustand". Homburg wies daraufhin, dass zurzeit zwar nicht 85 Prozent der Fahrkapazitäten, aber 85 Prozent des Fahrplans wieder befahren werde. Gemeinsam mit dem Hersteller werde nach einer technisch besseren Lösung gesucht. Dies könne allerdings noch zwei bis drei Jahre dauern.
Neben menschlichem Versagen sahen aber die Abgeordneten des Verkehrsausschusses die Gründe auch in der Struktur der DB AG. Der Sprecher der Union sah in diesen Vorfällen eine "Verantwortungserbschaft" der Ära Mehdorn. Dieser habe den höchstmöglichen Gewinn erzielen wollen, um die Bahn für den geplanten Börsengang attraktiv zu machen. "Gewinnorientierung und Sicherheit passen nicht zusammen", sagte der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen dazu. Dem widersprach Homburg. Wenn Gewinnmaximierung und Sicherheit nicht zusammenpassen würden, müssten alle Verkehrsunternehmen verstaatlicht werden. "Unternehmen, die die Sicherheit vernachlässigen, ruinieren sich selbst", sagte er.
Bei den Unfällen im Güterverkehr stellt sich die Situation anders dar. Hier muss eine europäische Sicherheitslösung gefunden werden, da die Güterwagen aus ganz Europa kommen und somit auch unterschiedliche Qualitätsstandards haben können. EBA-Präsident Hörster führte dazu aus, dass nach dem Unfall in Viareggio seine Behörde eine Anhörung durchgeführt habe, in dem die nationalen Eisenbahnunternehmen darstellen konnten, wie sie die Sicherheit der Räder gewährleisten wollen. Bei einer Sicherheitskonferenz der EU-Kommission sei außerdem deutlich geworden, dass es auf europäischer Ebene einheitliche Lösungen geben müsse. Dazu sei eine Task Force gebildet worden, die ihre Ergebnisse Mitte 2010 vorlegen will. Insgesamt hält Hörster den "Instrumentenkasten" seiner Behörde zur Überprüfung der Sicherheit für ausreichend.