Der "Elternfragebogen" von CDU-Sozialministerin Monika Stolz ist in Baden und Schwaben zum Reizwort geworden. Zwar wurde der Katalog wegen massiver Widerstände bereits abgeschwächt und viele der Auskünfte bleiben während der Modellphase freiwillig. Gleichwohl rät Christiane Staab, Vorsitzende des Landeselternbeirates (LEB), aber nur die Fragen zu beantworten, die für die Schulreife des Kindes von Belang sind - nicht aber für "gläserne Familien" sorgen.
Die Sozialministerin verteidigt ihr Vorgehen allerdings weiter als "wichtigen Bestandteil der neu konzipierten Einschulungsuntersuchung", die bislang als amtsärztliche Prüfung wenige Monate vor dem ersten Schultag vorgenommen wird. Künftig soll ein zweistufiger Test praktiziert werden: Im vorletzten Kindergartenjahr und dann noch einmal ein Vierteljahr vor dem ersten Schultag will man standardisiert über zwei verschiedene Fragenkataloge den Entwicklungsstand der Kleinen ermitteln. Einen Bogen sollen die Eltern, den anderen die Erzieherinnen im Kindergarten ausfüllen. So könne man besser erkennen, meint Stolz, ob ein Kind gesundheitliche Probleme oder Entwicklungsschwierigkeiten habe und "passgenaue Hilfen" schaffen.
Eigentlich wollte die Ministerin ihr Konzept bereits im Herbst landesweit einführen. Die Gegner erreichten jedoch mit ihrer scharfen Kritik, dass es nun erst einmal zu einer Erprobung kommt, deren Ausgang als ungewiss gelten darf. Die Empörung vieler Eltern ist verständlich. Sie sehen in nicht wenigen der an sie gerichteten Fragen eine Ausforschung und Bewertung ihres persönlichen Lebensbereichs sowie eine Klassifizierung ihres sozialen Status - auch mit möglichen Konsequenzen für die Kinder.
Brigitte Lösch, Sozialpolitikerin der grünen Landtagsfraktion, attackiert die Fragebögen als "vollkommen unsinnig" und als "tiefen Eingriff in die Privatsphäre". Georg Hohl sorgt sich, dass bereits Vierjährige "in normale und in Risikokinder" eingeteilt würden: Der Geschäftsführer des evangelischen Kindergarten-Landesverbands sieht in einer frühen Trennung einen falschen Einstieg in die frühkindliche Bildung. Auch Lösch stuft die Fragenkataloge als neuen Beleg für den "fehlgeleiteten Sortierungsdrang" der baden-württembergischen Schulpolitik ein. Christiane Staab beklagt, dass sich das Konzept der Ministerin vor allem auf die Verhältnisse im Elternhaus konzentriere. Ein "flächendeckendes Screening baden-württembergischer Eltern" sei nicht akzeptabel, so die LEB-Vorsitzende. Immerhin können die Gegner Teilerfolge verbuchen. So strich das Ministerium nach Gesprächen mit Kommunal- und Kirchenvertretern einige Fragen zum "Verhalten" der Kinder, etwa ob die Eltern, nicht mehr wie zunächst geplant, angeben sollen, ob ihr Nachwuchs "ständig zappeln" würde oder "oft Wutanfälle hätte". Die Kindergartenträger erreichten, dass die Erzieherinnen die Eltern nicht mehr bewerten müssen - so sollten sie ursprünglich vermerken, ob sich das Elternhaus förderlich oder hemmend auf die Kindesentwicklung auswirkt. Stützen können sich die Kontrahenten von Monika Stolz auf einen Verbündeten mit politischem Gewicht: Auch Stuttgarts CDU-Rathauschef Wolfgang Schuster hat mit dem Einschulungsfragebogen des Ministeriums nichts im Sinn. Die Stadt schlägt mit ihrem "Fohlenpass" einen eigenen Weg ein: In diesem Papier dokumentieren die Erzieherinnen in den Kindergärten zusammen mit den Eltern und den Kindern die Entwicklungsfortschritte der Kleinen. Der Grundgedanke: Kinder sollen vor allem an ihren Stärken gemessen werden - wohingegen sich die Ermittlung von "Risikokindern" auf die Erforschung von Defiziten konzentriert.