Die Bilder des Nachrichtensenders sind riesengroß. Sie sind auf den weißen Putz projiziert wie auf eine Kinoleinwand. Den Soldaten in der Operationszentrale des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam soll nichts entgehen. Die ständige Beobachtung der weltweiten Nachrichtenlage gehört zu ihrer täglichen Arbeit. So nehmen sie Bemerkungen von ausländischen Politikern und Militärs, wonach Deutschland nun zusätzlich im gefährlichen Süden Afghanistans einen Beitrag im Kampf gegen die Taliban leisten solle, zwar zur Kenntnis. Doch ein Sprecher zeigt sich wenig beeindruckt: "Bemerkungen sind keine Grundlage militärischen Handelns. Wir folgen der Weisungslage. Wir haben ein Mandat im Norden Afghanistan, das ist die Grundlage des Handelns."
Die Operationszentrale ist das Herzstück des Einsatzführungskommandos. Hier fließen alle Nachrichten aus jenen Regionen der Welt zusammen, in denen die Bundeswehr eingesetzt ist, hier werden sie ausgewertet und von den Fachabteilungen bearbeitet. Und von hier aus erhalten die Bundeswehrkontingente in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Dschibuti am Horn von Afrika, in Afghanistan und nun auch vor der Küste des Libanon ihre Befehle. Die Operationszentrale ist darüber hinaus Ansprechpartner für die Truppen stellenden Führungskommandos, internationalen und multinationalen Hauptquartiere sowie für die zivile Verwaltung. An 365 Tagen ist sie rund um die Uhr besetzt.
Der Saal mit den vielen Computern ist ein Hochsicherheitstrakt. Es geht darum, die vielen vertraulichen Informationen und Daten bestmöglich zu schützen. Wer hier Zugang hat, muss eine Codekarte besitzen, um die Schleusen zu dem fensterlosen Saal mit den Karten der Einsatzländer und den Uhren mit den jeweiligen Ortszeiten an den Wänden öffnen zu können. Es ist ruhig. Nur ein paar Soldaten der verschiedenen Teilstreitkräfte sitzen an den Arbeitsplätzen.
Es gibt noch eine weitere, kleinere Operationszentrale, etwa für Evakuierungsfälle, die zusätzlich zur großen aktiviert werden kann. Eine dritte Operationszentrale in Geltow steht dem "Operational Headquarters" zur Verfügung. Damit trägt Deutschland seiner Verpflichtung Rechnung, bei Bedarf ein strategisches Hauptquartier zur Führung militärischer Operationen zur Verfügung zu stellen. Dieses Hauptquartier, in dem auch Offiziere anderer Nationen der Europäischen Union vertreten sind, arbeitet unabhängig vom Einsatzführungskommando und untersteht der EU in Brüssel.
"Führung aus einer Hand" - lautete der tragende Gedanke, als das Einsatzführungskommando vor fünf Jahren gegründet wurde. "Nach dem Einsatz von Somalia und den Folgeeinsätzen hat man erkannt, dass das von einem Kommando nicht leistbar ist. Es musste ein Kommando geben, das zusammenführt. Dadurch kam es zur Gründung des Einsatzführungskommando", erklärt ein Sprecher. Die Gründung wurde auch aus der Erkenntnis heraus erforderlich, dass solche Einsätze nur noch multinational und Streitkräfte übergreifend ausgeführt werden. Das Konzept "Führung aus einer Hand" bezieht sich beim Einsatzführungskommando auch auf die Auswahl von geeignetem Personal und Material für die Auslandseinsätze. Dies soll die bestmögliche Unterstützung für die Soldaten im Ausland gewährleisten, damit sie ihren Auftrag erfüllen zu können. Dazu gehört vor allen Dingen ihr eigene Sicherheit. Des Weiteren muss das Einsatzführungskommando dafür sorgen, dass das durch den Bundestag erteilte politische Mandat und die für den jeweiligen Auftrag geltenden Einsatzregeln für die entsendeten Truppenkontingente, die so genannten "rules of engagement", Grundlage des militärischen Handelns vor Ort bleiben.
Ein Sprecher bilanziert nach fünfjährigem Bestehen des Einsatzführungskommandos: "Es ist heute das Kommando, das die Transformation der Bundeswehr zur Armee im Einsatz dokumentiert." Es sei nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 und der anschließend beginnenden Operation "Enduring Freedom" unter der "Macht des Faktischen" schnell zusammengewachsen. Daneben hat das Einsatzführungskommando in der Vergangenheit einige weitere Feuerproben bestehen müssen. Besonders gefordert war es bei der Tsunamikatastrophe Weihnachten 2004, beim Erdbeben von Pakistan, bei dem ein Teil der Soldaten von Afghanistan nach Pakistan verlegt wurden. Auch die Anschläge auf deutsche Soldaten Pfingsten 2004 in der afghanischen Hauptstadt Kabul gehörten zu den großen Herausforderungen des Einsatzführungskommandos.
Gegliedert ist das Einsatzführungskommando nach dem Vorbild multinationaler Stäbe. An der Spitze stehen der Befehlshaber, sein Stellvertreter und der Chef des Stabes. Sie werden unterstützt von einer Beratergruppe mit Experten aus den Bereichen Rechtsberatung, Pressearbeit und Controlling. Der Stab setzt sich aus zehn Abteilungen zusammen von Personal über Einsatzführung, Logistik, bis hin zu zivil-militärischer Zusammenarbeit und Sanitätsdienst. Das Einsatzführungskommando, das Teilstreitkräfte übergreifend arbeitet, untersteht dem Generalinspekteur der Bundeswehr und dem Verteidigungsminister.
Das Einsatzführungskommando mit seinen 800 Soldaten und Soldatinnen hat sich dem Andenken an Generalmajor Henning von Tresckow verpflichtet. Nach ihm ist die Kaserne benannt. Der Wehrmachtsoffizier stand für einen unbeirrbaren Geist im Widerstand gegen Adolf Hitler. Sein Name soll daran erinnern, dass soldatischer Gehorsam und militärischer Befehl stets in Recht und Gewissen verankert sein müssen.