Slowenien
Seit 1. Januar hat Slowenien den EU-Vorsitz. Die alten Hasen bringen dem Neuling viel Wohlwollen entgegen. In der Balkanfrage tritt das Beitrittsland aber für einige Staaten etwas zu forsch auf.
Der neue EU-Chefaußenpolitiker war noch keine Woche im Amt, da brachte er Erweiterungskommissar Olli Rehn schon in arge Verlegenheit. Möglichst noch beim Außenministerrat am 28. Januar solle das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen (SAA) mit Serbien unterzeichnet werden, kündigte der slowenische Außenminister Dimitrij Rupel überraschten Zuhörern Anfang Januar an. Bislang waren sich EU-Kommission und Mitgliedstaaten darin einig, dass das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag in dieser Frage das letzte Wort haben sollte.
Am 16. Januar, als Sloweniens Premierminister Janez Jansa dem Europaparlament in Straßburg die Schwerpunkte seiner Amtszeit als Ratspräsident vorstellte, meldete sich der neue Chefankläger Serge Brammertz im Haag zu Wort. Er bekräftigte noch einmal, dass die Festnahme der flüchtigen serbischen Kriegsverbrecher Mladic und Karadzic oberste Priorität für ihn habe. Doch in der EU-Kommission beobachtet man mit Sorge, dass in den Mitgliedstaaten die Bereitschaft wächst, sich von dieser konsequenten Haltung zu verabschieden. Mit seinem flotten Tempo spreche Slowenien für die Mehrheit der Mitgliedstaaten, heißt es aus dem Umfeld von Olli Rehn. Lediglich Belgien und die Niederlande wollen das SAA mit Serbien erst unterzeichnen, wenn alle Bedingungen erfüllt sind.
In seiner Antrittsrede betonte Jansa, dass er Serbien möglichst rasch eine Beitrittsperspektive eröffnen will. "Wir wollen keine Senkung der Kriterien und keine Abkürzungen, aber die EU soll die Hand ausstrecken und die Staaten des Westbalkans bei ihren Reformen besser unterstützen." Die Beitrittsperspektive sei eine unabdingbare Voraussetzung für Fortschritte. Das gelte auch für das Kosovo. Jansa erinnerte daran, dass die Teilrepublik bereits in den 70-er Jahren einen autonomen Status besessen habe, der dann von Milosevic für nichtig erklärt worden sei. "Der Status des Kosovo ist eine der herausragendsten Fragen, mit denen die EU konfrontiert ist. Eine Einigung im Sicherheitsrat zeichnet sich nicht ab. Aber wenn wir die Lösung vertagen, könnte das die Lage auf dem Westbalkan drastisch destabilisieren."
Der Europäische Rat im Dezember habe sich bereits im Grundsatz darauf geeinigt, eine Mission zur Unterstützung der Polizeikräfte und der Justiz ins Kosovo zu schicken. Nach Überzeugung von Olli Rehn wird sich der Außenministerrat am 18. Februar über praktische Details, Lastenverteilung und einen Zeitrahmen für die Mission verständigen. Noch aber ist nicht sicher, ob die Mission dann sofort startet oder erst, wenn die Statusfrage geklärt ist.
Manche Abgeordnete lehnen den "Kuhhandel" entschieden ab, bei dem Serbien das Assoziierungsabkommen in den Schoß fallen soll, wenn es die Unabhängigkeit des Kosovo hinnimmt. "Bei aller Liebe Sloweniens für seine ehemaligen jugoslawischen Schwesternrepubliken dürfen die Beitrittsbedingungen der EU nicht aufgeweicht werden," stellte der sozialistische Abgeordnete Helmut Kuhne klar. "Der Beitritt von Staaten, in denen Nationalisten mit Unterstützung der Bevölkerung die Regierungspolitik bestimmen, ist nicht im Interesse der EU. Es kann nicht sein, dass man den EU-Beitrittsprozess dadurch erleichtert, dass man bei der Verfolgung von Massenmördern ein Auge zudrückt!"
Der slowenische Premier präsentierte sich in seiner Antrittsrede als äußerst selbstbewusster Neuling. Vor 20 Jahren sei er als Dissident in Ljubljana "in der Kremlsprache" verurteilt worden. Heute stehe er hier in Straßburg und könne sich in seiner Muttersprache, als Präsident der EU an das Hohe Haus wenden. Sein Land habe seither viel erreicht. Die Kaufkraft pro Kopf sei seit der Wende von 4.000 auf 22.000 Euro pro Jahr gestiegen. Slowenien sei das EU-Land mit der niedrigsten Verschuldung und einer der niedrigsten Arbeitslosenraten. Im Namen von 100 Millionen Europäern, "die hinter verschlossenen Grenzen saßen, einige sogar im Gefängnis" dankte er den europäischen Abgeordneten, die sich für die Mitgliedschaft der osteuropäischen Länder in der EU eingesetzt hätten.
Sein Land werde die Projekte abschließen, die im Rahmen der Trio-Präsidentschaft mit Deutschland und Portugal begonnen worden seien. Dazu gehöre zunächst die Ratifizierung des neuen EU-Vertrags durch alle Mitgliedstaaten. Dann gelte es, die unter deutscher Präsidentschaft vereinbarten Klimaschutzziele in ein Gesetzespaket zu gießen, das bis Jahresende verabschiedet sein soll. Am europäischen Energiemarkt müsse weiter gearbeitet werden. Slowenien wolle außerdem eine "fünfte Grundfreiheit" in den Binnenmarkt einführen - den freien Austausch der Ideen. Dazu müsse die Mobilität von Studenten und Forschern erhöht werden.
Jansa endete mit einem kleinen Seitenhieb auf Frankreichs Präsidenten Nicholas Sarkozy: "Vielleicht wird unsere Präsidentschaft weniger glanzvoll sein als die französische, weniger spektakulär als die deutsche. Vielleicht sind wir etwas zu direkt, etwas zu naiv - aber wir wollen verantwortungsbewusst handeln und das Inhaltliche betonen. Wir werden uns nicht um das Scheinwerferlicht drängen." Das besorgt dann ab 1. Juli ganz sicher Jansas französischer Nachfolger Nicholas Sarkozy.