WAFFENGESETZ
Bundesrat und Koalitionsfraktionen fordern Nachbesserungen
Der Kommissar griff in die Tasche und fühlte die beruhigende Kälte seiner Walther P99. Er war bereit für das, was kommen sollte. Diese oder ähnliche Zeilen finden sich in jedem zweiten Krimi. Der Kommissar und seine Waffe - ein Mythos. Wer auch mal ein bisschen Kommissar spielen will, kann das in Deutschland recht einfach, auch ohne sich strafbar zu machen. Im Internet beispielsweise wird die Walther P99 angeboten, als eigentlich ungefährliche Nachahmung, versteht sich. "Kaum zu unterscheiden vom Original" - so preist sie der Händler an. Da nicht nur Freunde von Kriminalgeschichten dort kaufen können, ergibt sich für echte Polizisten daraus ein ernstes Problem: Sie können kaum unterscheiden, ob sie es mit einer echten Waffe oder einer so genannten Anscheinswaffe zu tun haben. Daher lautet schon lange eine ihrer Forderungen, dass das öffentliche Mitführen von Anscheinswaffen verboten werden müsse. Dieser Forderung will die Bundesregierung nun nachkommen und hat einen Entwurf zur Änderung des Waffenrechts ( 16/7717) vorgelegt, den der Bundestag am 18. Januar zur weiteren Beratung in den Innenausschuss überwiesen hat. Neben Neuregelungen für Sportschützen und zum Umgang mit geerbten Waffen beinhaltet der Entwurf auch Festlegungen zu Waffenimitaten.
Danach sind der Handel und der Besitz von Anscheinswaffen weiterhin erlaubt - das Mitführen in der Öffentlichkeit wird hingegen verboten. Bei Zuwiderhandlung droht der Entzug der Waffe. Ist damit den Bedenken der Polizei ausreichend Rechnung getragen? "Nein!", sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft und verweist im Gespräch mit dieser Zeitung auf einen seiner Ansicht nach entscheidenden Mangel der Novelle. Als Anscheinswaffen werden im Gesetz Imitate von Kriegswaffen wie Maschinengewehre und Sturmgewehre sowie von Pumpguns bezeichnet - nicht jedoch nachgeahmte Faustfeuerwaffen wie Pistolen und Revolver. "Das löst unser Problem nicht", unterstreicht Wendt. Die Polizei habe es eher mit Kurzwaffen tragenden Tätern zu tun als mit solchen, die mit einem Sturmgewehr unterwegs seien.
Wendt fordert die Erweiterung des Anscheinswaffenbegriffs auch auf Pistolen und Revolver oder zumindest deren klare Kennzeichnung als Imitat, etwa durch eine fluoreszierende Scheibe am Lauf wie in den USA üblich. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht das ähnlich. Sprecher Michael Böhl fordert eine klarere Regelung im Interesse der Beamten, aber auch des Bürgers. Dessen Leben sei schließlich gefährdet, wenn Polizisten nicht erkennen könnten, ob es sich um eine echte Waffe oder ein Imitat handelt. Verbot oder Kennzeichnung von Faustfeuerwaffen lautet daher auch seine Forderung, die vom Bundesrat ebenfalls geteilt wird. Die Länderkammer fordert in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine Ausweitung der Regelung auf jede Anscheinswaffe, die mit einer entsprechenden Originalwaffe zu verwechseln sei, gerade auch, um Situationen, in denen die Polizei die täuschend echt wirkenden Nachbildungen mit echten Waffen verwechseln könnte, zu vermeiden.
Ein weiterer Kritikpunkt der Länder ist das Fehlen einer Bußgeldandrohung bei Zuwiderhandlung. Das sei "nicht nachvollziehbar und auch nicht gerechtfertigt". Dem wiederum will sich FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff nicht anschließen. Eine Bußgeld- androhung sei nicht nötig, so Wolff, der für ein Verbot des Mitführens von Anscheinswaffen "aufgeschlossen" ist. In diese Regelungen sollten dann aber auch Kurzwaffen eingeschlossen werden. Insgesamt empfiehlt der FDP-Politiker "mehr Kons- tanz und weniger Aktionismus" im Waffenrecht. Das Problem der Gewalt in der Gesellschaft sei nicht über das Waffengesetz zu lösen. Ein Küchenmesser, ja schon ein Finger im Rücken könnten auch "Anscheinswaffen" darstellen, so Wolff.
Für ein strenges Waffenrecht plädiert die SPD laut ihres Innenexperten Dieter Wiefelspütz. Dies sei zwar kein "Patentrezept", aber ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Gewalt. "Ich kann nicht erkennen, welchen Sinn Anscheinswaffen machen und aus welchem Grund man sie besitzen soll", sagte Wiefelspütz dieser Zeitung. Er könne sich auch vorstellen, den Handel und Besitz zu verbieten. Auch ein nationales Produktionsverbot schließt er nicht aus. Anscheinswaffen verursachten bei ihm ein "ungutes Gefühl". "Welchen Sinn machen solche Spielzeugwaffen in den Händen von Kindern?", fragt sich Wiefelspütz. Dass die derzeitige Fassung des Gesetzes noch weit weg von seinen Vorstellungen ist, beunruhigt den SPD-Politiker nicht weiter. "Wir sind schließlich erst am Anfang des gesetzgeberischen Verfahrens."
Mit dieser Einschätzung liegt Wiefelspütz offensichtlich richtig, denn auch in der Unionsfraktion ist man an Änderungen interessiert. CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer (CSU) kündigt an, den Vorschlag des Bundesrates für ein Verbot aller originalgetreuen Waffenimitate aufzunehmen. Sein Fraktionskollege Dieter Grindel (CDU) will mit einem Verbot auch so genannte Soft-Air-Waffen "aus dem Straßenbild verbannen". Auch eine Bußgeldandrohung scheint nicht mehr unmöglich. Laut Mayer werde derzeit durch die Bundesregierung geprüft, ob dies möglich sei oder ob es dagegen zwingende rechtliche Bedenken gebe. Ein Verbot von Besitz und Handel der Anscheinswaffen ist hingegen mit der Union wohl nicht zu machen. Das spezifische Bedrohungspotenzial von Anscheinswaffen und die Gefahr der Verwechslung mit echten Waffen trete nur beim Mitführen in der Öffentlichkeit auf, nicht jedoch beim Umgang "in den eigenen vier Wänden", so Mayer.
Einen "Anscheinswaffenparagrafen" gab es in der Vergangenheit schon einmal. Er wurde im Jahre 2002 wieder gestrichen, weil er sich als zu wenig praxistauglich erwiesen hatte. Da die Hersteller während der Verbotsphase Imitate mit geringfügigen Abweichungen vom Original auf den Markt brachten, kam es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Frage, ob es sich um eine Anscheinswaffe handelt, was vielfach von den Gerichten verneint wurde. Um dieser Problematik zu begegnen, so Stephan Mayer, solle das Verbot nun so formuliert werden, dass es auch dann greife, wenn das Imitat in der äußeren Gestaltung nicht absolut originalgetreu ist.