Untersuchungsausschuss
Kay Nehm: Islamist Zammar spielte nur eine Nebenrolle
Gleich zum Auftakt der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 17. Janaur horchen die Abgeordneten auf. Vermutungen kursierten schon häufig, aber jetzt wird es öffentlich bestätigt, und zwar von Kay Nehm, dem ehemaligen Generalbundesanwalt, persönlich: Nach den Attentaten vom 11. September 2001 hätten US-Beamte hierzulande "einfallen" und wegen der Hamburger Terrorzelle eigenständig ermitteln wollen. Unter Verweis auf die Souveränität der Bundesrepublik sei dieses Ansinnen aber verhindert worden, so der Zeuge. Allerdings habe man sich auf die Entsendung von US-Verbindungsleuten geeinigt, die mit dem Bundeskriminalamt (BKA) Kontakt hielten. Es gab also einen Informationsfluss, und dies ist für den Fall Mohammed Haydar Zammar von Belang: Der Deutsch-Syrer wurde im Herbst 2001 in Marokko verhaftet und sitzt seither in Damaskus in einem Gefängnis, das im Ruf der Folter steht. Die Parlamentarier prüfen, ob deutsche Stellen eine Mitschuld an dessen Schicksal trifft.
Nehm meint, die Aktion in Marokko habe wohl unter Ägide der USA stattgefunden. Seine Behörde habe keine Daten über Zammars Flugroute an US-Behörden weitergeleitet, er könne aber solche Hinweise seitens des BKA nicht ausschließen. Bei Nehm liefen seinerzeit Ermittlungen gegen Zammar wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, für den Zeugen freilich "kein bedeutsames Verfahren". Die Beweislage habe für einen Haftbefehl nicht ausgereicht. Der Deutsch-Syrer habe zum Umfeld der Hamburger Attentäter gezählt, sei aber in die Anschläge von New York offenbar nicht verwickelt gewesen. Al Qaida habe Zammars Versuche, in dieses Netzwerk "einzutauchen", zurückgewiesen.
Mehrfach schon haben Oppositionsabgeordnete einen US-Geheimdienstler zitiert, nach dessen Worten die Europäer froh waren, wenn sich US-Stellen um ins Ausland gereiste Terrorverdächtige gekümmert hätten. Dieses Mal fragt Max Stadler (FDP) Nehm direkt: Könne man in der Tatsache, dass Zammars Flug nach Marokko nicht verhindert wurde, "Anzeichen einer gemeinsamen Operation von deutschen und US-Behörden sehen"? Der Zeuge lehnt es ab, zu solchen Bewertungen etwas zu sagen. SPD-Obmann Michael Hartmann attackiert Stadlers Hypothese als "Verschwörungstheorie".
Nun ist Zammar immer noch in Syrien inhaftiert. Der damalige Justiz-Staatssekretär Hansjörg Geiger verneint die Frage, ob man im Juli 2002 bei einer Übereinkunft mit Damaskus als Gegenleistung auf eine Überstellung des deutschen Staatsbürgers gedrungen habe: Seinerzeit wurde ein Prozess gegen zwei der Agententätigkeit angeklagte Syrer eingestellt, um eine Zusammenarbeit mit Damaskus beim Antiterror-Kampf zu erreichen. Geiger wie Nehm erklären, bei den Gesprächen mit Damaskus habe der Fall Zammar ohnehin keine Rolle gespielt.
Nehm führt aus, nicht eine formelle Weisung des Justizressorts, wohl aber ein Schreiben mit einer "gewichtigen Meinung" habe ihn bewogen, den Spionageprozess zu stoppen. Geiger räumt ein, dass man bei der Bundesanwaltschaft über diese Verfahrenseinstellung "sehr unglücklich" gewesen sei. Der Ex-Staatssekretär betont, dass diese Initiative nicht vom Justizministerium ausgegangen sei, man sei nur "Route" gewesen, es habe sich um eine "Willensbildung innerhalb der Regierung" gehandelt. Seine Distanz kleidet Geiger in diese Worte: Als Chef des Verfassungsschutzes, der er zeitweise war, "entwickelt man eine Aversion gegen Spionage".