CDU
Von den etwa 600.000 Deutschtürken wählt eine Mehrheit die SPD. Das soll sich ändern.
Bülent Arslan ist optmistisch: "Die CDU kann auch für Türken interessant werden", sagt der nordrhein-westfälische Christdemokrat. Denn während der wahlkämpfende Roland Koch (CDU) in Hessen und der Berliner Bundestag über ausländische Straftäter räsonieren, kämpft Arslan dafür, mehr Migranten und Türken für die konservative Partei zu begeistern.
Bislang ist er Vorsitzender des "Deutsch-türkischen Forums" in NRW, schon bald aber könnte er einem bundesweiten Forum vorstehen: Noch in diesem Frühjahr soll eine Vereinigung für ganz Deutschland entstehen. "Wir wollen überall präsent sein", sagt Arslan, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland wohnt. In den kommenden Monaten sollen schon Ableger des Forums im Saarland, in Stuttgart und in Hamburg entstehen.
Dabei macht es die CDU den möglichen türkischen Wählerinnen und Wählern nicht leicht. Zuletzt zeigte Roland Koch in seinem hessischen Wahlkampf, wie schnell negativ besetzte Bilder von ausländischen Bürgern beschworen und hochgehalten werden können. "Manchmal leiden wir unter dem Populismus", sagt Arslan. Er ist aber überzeugt: "Wenn die Leute im Kreisverband einen Türken direkt vor der Nase haben, wird sich ihr Bild von den angeblichen Fremden verbessern. Wir müssen einfach den Kontakt herstellen." Arslan schätzt, dass die Volkspartei etwa 2.000 Mitglieder mit Migrationshintergrund hat. Ein Vergleich zu anderen Parteien fällt schwer: SPD, Grüne und FDP geben an, keine Statistik darüber zu führen.
Das Forum setzt sich zwei Ziele: Die Interessen der türkischen Menschen zu vertreten und mehr Türken zur Wahl der CDU zu überzeugen. In ihrem Interesse liegt zum Beispiel eine bessere Bildung. Das Forum in NRW hat zu diesem Thema bereits ein eindeutiges Konzept vorgelegt.
Seine Hauptthese ist die, dass türkische Schüler auch schlechtere Bildungschancen haben, weil die Familie sie zu wenig unterstützt. Deswegen sollen mehr türkischstämmige Lehrer in die Schulkollegien integriert werden. Außerdem soll der Kontakt zwischen allen Lehrern und den Familien enger werden, bestenfalls sollten die Pädagogen alle Kinder zu Hause besuchen. "Die Distanz zwischen Türken und Schule muss unbedingt verringert werden", sagt Arslan. Viele Ideen seien auf große Unterstützung gestoßen.
Schwieriger könnte das zweite Ziel zu erreichen sein: Die Türken an der Urne zu einem Kreuz bei der CDU zu bewegen. Zwar sind nach Umfragen zum Beispiel des Essener Zentrums für Türkeistudien sechzig bis achtzig Prozent der Türken konservativ. Für sie haben die Familie und die Religion einen großen Wert. Aber trotzdem wählen sie nicht die CDU.
Dabei gibt es Gemeinsamkeiten von CDU und Türken. Das findet auch Ammar Alkassar. Er bereitet gerade die Gründung eines deutsch-türkischen Forums im Saarland vor. "Mich hat ihre Politik in Verantwortung vor Gott zur CDU gezogen", sagt Alkassar. Der Muslim aus Syrien trat vor 13 Jahren in die Partei ein und will nun viele Migranten dazu auffordern, es ihm gleich zu tun. "Unsere Partei muss dieses Publikum endlich erreichen", so Alkassar. Bislang werde es sträflich vernachlässigt. Für Alkassar gibt es viele gleiche Überzeugungen von Türken und CDU - zum Beispiel den Wert der Familie, der Kindererziehung. "Bislang werden nur die Unterschiede betont."
Eine Haltung, die Christdemokraten Wahlen kosten kann. 600.000 Deutschtürken leben in Deutschland, sie wählen bislang mit großer Mehrheit die SPD. Eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die aber Zünglein an der Waage spielen kann. Eine Studie der Konrad-Ade-nauer-Stiftung über die Bundestagswahl 2002 kommt zu dem Ergebnis, dass bei einem besseren Abschneiden der Union in dieser Gruppe die CDU stärkste Partei hätte werden können.
"Emotional wollen die Türken bislang nicht die CDU wählen", sagt Arslan, "sie wurden zu oft von ihr enttäuscht." Und so wählen 70 Prozent von ihnen die SPD. "Christdemokraten müssen dringend das Herz dieser großen Wählerschaft zurück erobern." Arslan glaubt, dass die Partei schon Fortschritte macht. "Ich bin seit zehn Jahren in der CDU aktiv und ich merke einen Mentalitätswandel. Das Thema Integration ist mittlerweile allen wichtig." Niemand stelle es mehr in Frage. Leider gebe es aber in den unteren Parteiebenen immer noch die Ansicht, dass Türken und Einwanderer vor allem ein Problem darstellten.
Zuletzt wurde diese Haltung auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover deutlich. Während der CDU-Bundesvorstand sich in der Frage des EU-Beitritts der Türkei auffallend zurückhielt und in seinem 78 Seiten starken Grundsatzpapier die Türkei mit keinem Wort erwähnte, hielten die Kreisverbände mit ihrer Ablehnung einer europäischen Türkei nicht hinterm Berg: Dutzende Änderungsanträge forderten, den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union grundsätzlich und für alle Zeit auszuschließen. Der Mainzer Verband beantragte zum Beispiel, nur Länder aufzunehmen, die der "christlich-abendländischen Tradition" entsprächen. So sei die privilegierte Partnerschaft mit der Türkei die einzig denkbare Möglichkeit. Diese Passage wurde nicht aufgenommen, gleichwohl hat die CDU einem möglichen Beitritt eine klare Absage erteilt.
Das deutsch-türkische Forum hingegen kämpft seit langem für den EU-Beitritt. "Die Türkei ist Teil der europäischen Wertegemeinschaft", sagt Bülent Arslan. Obwohl der EU-Beitritt für die hier lebenden Türken eigentlich gar nicht wichtig sei und nichts in ihrem Leben verändere, sei das Thema "emotional hoch aufgeladen: Wenn Christdemokraten immer wieder betonen, wie groß die Unterschiede zu diesem Land seien, distanziert sie die hier lebenden Türken", sagt Arslan. In den kommenden Monaten wird sich nun zeigen, wie groß die Unterstützung für das multikulturelle Forum in den Reihen der CDU sein wird. Und ob im Kampf um Wählerstimmen für die Bundestagswahl 2009 auch Türkinnen und Türken für die Christdemokraten gewonnen werden können.
Mehr zum Thema unter: www.dtf-online.de