Vor den Wahlen
Die Pakistanische Volkspartei (PPP) muss sich neu formieren
Sie kommen auf Kamelen, Traktoren, Eselskarren, in Luxuslimousinen und oder einfach zu Fuß: Vor mehr als drei Wochen wurde die pakistanische Politikerin Benazir Bhutto ermordet, doch der Strom der Besucher in ihrem Heimatdorf Naudero, im Süden des Landes, reißt nicht ab. Aus allen Teilen Pakistans kommen Menschen, um an Bhuttos Grab zu weinen und ihrem Mann Asif Ali Zardari ihr Beileid auszusprechen.
Nach dem Tode seiner Frau ist Zardari jetzt der eigentliche Führer der Pakistanischen Volkspartei (PPP), der größten Partei des Landes. Der schnauzbärtige Witwer ist damit über Nacht zu einem der mächtigsten Männer Pakistans aufgestiegen. Zwar ist offiziell Bhuttos Sohn, Bilawal, Parteichef, doch der 19-jährige Oxford-Student gilt als viel zu jung und unerfahren für den Knochenjob. Noch 16 Jahre müsste der groß gewachsene Teenager warten, um laut Verfassung überhaupt Premierminister werden zu dürfen.
Der 51-jährige Zardari war bei der PPP bislang nicht gerade beliebt. Ihm hing der Ruf an, korrupt und habgierig zu sein. Doch nach dem Schock über die Ermordung Bhuttos scheint das fürs erste vergessen. "Er hat sich verändert", sagt ein wohlsituierter, älterer PPP-Anhänger in Lahore. Doch die äußere Harmonie täuscht. Alle 54 Mitglieder des PPP-Parteirates stehen loyal zu Bhutto. Manche davon hat Zardari gerade zum ersten Mal getroffen. Und manche fragen sich, wie der letzte Wille ihrer angebeteten Parteiführerin wirklich aussah. Bhutto soll in einer handschriftlichen Notiz ihren Sohn und den Ehemann zu politischen Erben bestimmt haben. Fatima Bhutto, die 25-jährige Nichte von Benazir, hat gefordert, das Testament öffentlich zu machen, und die Nachfolgeregelung scharf kritisiert. Zardari hat nun angekündigt, den letzten Willen seiner Frau in einem geplanten Bhutto-Museum in Karachi hinter Glas ausstellen zu lassen.
"Wenn sie wollte, dass Zardari für die Partei arbeitet, warum hat sie ihn dann, während sie lebte, von den Parteigeschäften ferngehalten?", fragt Chaudhry Pervaiz Elahi, ein führender Politiker der regierungsnahen PML-Q. Die Musharraf-Partei befürchtet, dass die PPP, getragen von einer beispiellosen Welle der Sympathie, am 18. Februar einen haushohen Wahlsieg einfahren wird. Daher schürt sie Zwist innerhalb der Partei, aber auch zwischen den starken separatistischen Kräften im Lande. Pakistan kämpft seit seiner Gründung 1947 damit, den bunten Teppich aus religiösen, kulturellen und ethnischen Gruppen zusammenzuhalten. Bei den Ausschreitungen kurz nach der Ermordung Benazirs, gaben viele in Bhuttos Heimatprovinz Sindh dem Punjab, wo Industrie und Regierung sitzen, die Mitschuld am Tode Bhuttos. Gelingt es der PML-Q, die PPP an der Nahtstelle zwischen ihren Anhängern im Sindh und im Punjab zu trennen, schwächt das nicht nur die größte Partei Pakistans, es könnte auch das ganz Land in eine Existenzkrise stürzen.
Zardari werde große Schwierigkeiten haben, seine Partei zusammenzuhalten, meint Gregor Enste von der Heinrich-Böll-Stiftung in Lahore, der Pakistan seit vielen Jahren kennt. "Die PPP hat die Zukunft schon wieder hinter sich."