Armut
Debatte über Sicherungssysteme in Entwicklungsländern
Seltene Einigkeit herrschte vergangene Woche im Plenum des Bundestages, als es um die Bekämpfung der Armut in der Welt ging. Walter Riester (SPD) fragte in der Debatte am 12. März auch nach den Gründen dafür und lieferte gleich die Antwort darauf: Die Entwicklungspolitiker hätten erkannt, "dass Armutsbekämpfung in den Entwicklungs- und Schwellenländern langfristiger und nachhaltiger Strukturen bedarf, die die Menschen in die Lage versetzen, die großen Lebensrisiken wie Krankheit, Altersarmut und die generelle Verbreitung der Armut selbst zu bewäntigen".
Zur Abstimmung stand ein Koalitionsantrag ( 16/7747), in dem die Fraktionen den Aufbau von sozialen Sicherungssystemen in den armen und Schwellenländern zum Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erklären. Auch die Linksfraktion und die Grünen stimmten für den Antrag. Nur die FDP enthielt sich bei der Abstimmung - wie zuvor bei der Debatte.
Es gehe nicht darum, so Riester plakativ in der Debatte, "den Schatten Bismarcks über Afrika zu legen oder Diskussionen über das Gesundheitswesen oder die ,Riester-Rente', die wir in Deutschland haben, in Lateinamerika oder in Asien anzustoßen". Die Voraussetzungen seien zu unterschiedlich. Es gehe aber um die Entwicklung von Vorsorgestrukturen, die "nachhaltige Wirkung haben", so Riester. Ähnlich argumentierte Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): "Es geht nicht darum, etwas vorzuschreiben, sondern darum, die Menschen zu unterstützen." Sie wies auf den Zusammenhang zwischen sozialer Sicherheit und politischer Stabilität hin. 80 Prozent der Menschheit lebten in sozialer Unsicherheit. Das berge "riesigen sozialen Sprengstoff". Hinzu komme, dass das bislang vorherschende Solidarsystem in den Großfamilien in den armen Ländern zunehmend ins Wanken gerät.
Der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses, Thilo Hoppe, forderte aus Sicht der Grünen größere Investionen in den ländlichen Sektor in den betroffenen Ländern, weil 80 Prozent der Hungernden auf dem Land lebten. Beim Aufbau sozialer Systeme "muss man zuallererst die Zielgruppe der extrem Armen und Hungernden in den Favelas, den Slums der wachsenden Megastädte und auf dem Land im Blick haben". Hoppe bedauerte, dass die FDP in diesem Punkt aus der Reihe tanze. Die Linke nutzte die Debatte, um - bei aller Unterstützung für den Antrag - die deutsche Entwicklungspolitik als widersprüchlich zu kritisieren. Sozialpolitische Entwicklungsprogramme würden systematisch durch "marktradikale Außenwirtschaftspolitik" konterkariert.