HESSEN
Die Regierungsbildung ist auf Eis gelegt. Die SPD hat sich vorerst ins Aus manövriert
Nachdem die Bildung einer rot-grünen Minderheitenregierung unter Duldung der Linkspartei am Widerstand der SPD-Abgeordneten Dagmar Metzger gescheitert ist, blickt Hessen einer unsicheren politischen Zukunft entgegen. Während die SPD vor einem Scherbenhaufen steht, geht die Suche nach Mehrheiten weiter. Doch zunächst müssen die Parteien unter einem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) ihre Inhalte mit wechselnden Partnern durchsetzen.
"Ich bleibe Ministerpräsident, weil Frau Ypsilanti nicht in der Lage ist, eine eigene Regierung zu organisieren", erklärte Regierungschef Koch nicht ohne Häme. Statt in der Staatskanzlei Umzugskartons zu packen, bereitet sich Koch nun auf eine noch unbestimmte Zeit als geschäftsführender Ministerpräsident vor. Er wolle das Land so lange regieren wie es notwendig ist, verspricht er. "Wir haben es ja immer gesagt", ist die Haltung von CDU und FDP derzeit.
Denn noch nicht gestartet ist das rot-rot-grüne Projekt von Andrea Ypsilanti mit einer Bruchlandung geendet. "Auf Eis gelegt", nennt es eine ziemlich zerknirschte SPD-Vorsitzende, die sich nach der entscheidenden Fraktionssitzung am 11. März nur mit Hilfe von Bodyguards durch den Journalistenpulk kämpfen konnte. Ihre Parteigenossin Dagmar Metzger ist gerade bei ihrem Nein zur Linken geblieben und hat dem Druck aus der Partei, sich entweder der Mehrheit zu beugen oder ihr Mandat niederzulegen, standgehalten: "Mit mir gibt es keine Regierungsbildung mit Hilfe der Linken", bekräftigt die 49-jährige Darmstädter Abgeordnete.
8.000 zustimmende Mails habe sie erhalten, so die Juristin. Metzger ist überzeugt, dass viele Bauchschmerzen hatten mit Ypsilantis Plänen. In der Fraktion jedoch steht die resolute Frau alleine da - genau wie in der gemeinsamen Sitzung von Landesvorstand, Parteirat und Fraktion am Samstag zuvor, die eher einem Tribunal als einem Meinungsaustausch geglichen haben soll.
"Die Emotionen kochen hoch im Moment, aber sie werden sich wieder beruhigen", glaubt Metzger. So als gäbe es gerade keine Krise wollen die hessischen Sozialdemokraten jetzt ihre inhaltlichen Positionen für die nächste Legislaturperiode festzurren. Schließlich möchte die SPD die Studiengebühren und das Abitur nach acht Jahren abschaffen und die Energiewende im Land einleiten. "Wir nehmen alle Stimmen für unsere Anträge gerne an", gibt Ypsilanti sich unbeiirt. Offenbar will ihre Partei nun die Kooperationsfähigkeit vor allem der Linkspartei austesten, um das gescheiterte Regierungsprojekt mit den Grünen zu passender Zeit wieder aufgreifen zu können
Doch die Ökopartei ist inzwischen auf Distanz gegangen. Bedauerlich sei es, so die Grünen, dass die SPD den Politikwechsel in Hessen und die Ablösung Kochs vorerst verhindert habe. Der Landesvorstand findet deutliche Worte für die Managementfehler der hessischen SPD-Führung: "Die Ereignisse", so heißt es, "offenbaren ein Maß an inhaltlichem Richtungsstreit und Unprofessionalität innerhalb der hessischen SPD, das wir nicht für möglich gehalten hätten. Auch der innerparteiliche Umgang miteinander befremdet uns." Derzeit gebe es keine Basis für Koalitionsverhandlungen und eine stabile Regierung.
Bei der Suche nach Mehrheiten könnten die Grünen in den kommenden Monaten eine Schlüsselrolle spielen. Die Partei gibt sich weiterhin offen für eine Ampelkoalition, lehnt ein Jamaikabündnis aber nach wie vor ab. Mit der Koch-CDU könne man nicht koalieren.
Die Grünen müßten sich inhaltlich bewegen, verlangen CDU und FDP. FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn ist fest davon überzeugt, dass es nach dem 5. April zu einer Annäherung der drei Parteien kommen wird. Kochs Rolle bei der Bildung einer Jamaika-Koalition sieht der Vorsitzende der hessischen Liberalen als die eines "Architekten". Ob Koch das zu bauende Haus später auch gehören soll, lässt Hahn bewusst offen.
Der Regierungschef jedoch steht für seine Partei nicht zur Disposition: "Eine CDU-geführte Landesregierung wird es nur unter Führung von Ministerpräsident Roland Koch geben", betont der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christean Wagner. Dass eine geschäftsführende Landesregierung nur eine Übergangslösung sein kann, ist dem Chef der Hessen-CDU klar. Wie Hahn setzt Koch nun auf die Gesprächsbereitschaft der Grünen. Schließlich seien Koalitionen "keine Liebesheiraten, sondern Bündnisse auf Zeit".