UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS
Steinmeier weist deutsche Verwicklung in Verschleppung Zammars zurück
Im Vorraum des Sitzungssaals steuert der Promi-Zeuge energischen Schritts auf die TV-Kameras zu. Vor den Mikrophonen spricht Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier von "Unterstellungen der Opposition", die er "mit Nachdruck" zurückweise: Niemals sei die frühere Regierung, zu deren Zeiten der SPD-Politiker Chef des Kanzleramts war, an illegalen Verschleppungen Terrorverdächtiger beteiligt gewesen: "Die Grenzen des Rechtsstaats haben wir immer eingehalten".
Drinnen stempelt Steinmeier vor dem Untersuchungsausschuss Vorwürfe, die Regierung trage Mitschuld am Schicksal des im Spätsommer des Jahres 2001 von Marokko nach Syrien verschleppten Mohammed Haydar Zammar, als "völligen Unsinn" ab. Zuweilen wirkt der Außenminister genervt und gereizt und lässt die Abgeordneten spüren, dass er seine Vernehmung offenbar schlicht für überflüssig hält. Das solle "aufregend" sein, kontert er einen Vorhalt. Ein anderes Mal holt er tief Luft und will dann "in aller Ruhe" erläutern, wie das damals war in der Zeit der großen Bedrohungen nach den Attentaten von New York.
Vor den Parlamentariern liegt in Kopien ein Artikel des "Stern", aus dem eifrig zitiert wird und den Max Stadler (FDP), Norman Paech (Linkspartei) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) als frische Munition gegen den Außenminister und gegen BND-Präsident Ernst Uhrlau - unter Steinmeier Geheimdienst-Koordinator im Kanzleramt - nutzen. Kernthese: Hierzulande wussten Regierung und Geheimdienste schon im Herbst 2001 von dem seitens der USA praktizierten Kidnapping Terrorverdächtiger - und "im Stillen" hätten hiesige Stellen bei diesen "Renditions" geholfen. Als Kronzeuge dient der einstige CIA-Europachef Tyler Drumheller.
Der CIA-Mann habe nie mit ihm gesprochen, sagt Steinmeier kühl, "vielleicht stand er bei einem meiner Besuche in Washington einmal im Rückraum". Uhrlau will sich allenfalls an ein Höflichkeitsgespräch mit Drumheller erinnern. Steinmeier: "Im November 2001 gab es weder Guantanamo noch Informationen über Entführungen, Kidnappings und so genannte Renditions durch die US-Geheimdienste."
So treten der Minister und Uhrlau von vornherein der Kritik entgegen, in Zammars rechtswidrige Verschleppung involviert gewesen zu sein: Man kann nicht bei etwas mitmachen, was man gar nicht kennt. Anderslautende Spekulationen seien "an den Haaren herbeigezogen", meint Steinmeier zu SPD-Obmann Michael Hartmann, dessen Fragen sich oft als Stichworte für die Zeugen entpuppen.
Gegen Zammar lief nach den Anschlägen von New York wegen seiner Kontakte zur Hamburger Terrorzelle ein Ermittlungsverfahren, doch reichte der Verdacht nicht für einen Haftbefehl. Im Oktober 2001 flog der Deutsch-Syrer nach Marokko, wo er offenbar unter Ägide der USA festgenommen und nach Syrien gebracht wurde. Dort sitzt er bis heute ein.
Warum aber wurde Zammar trotz seiner Einstufung als "Gefährder" ein Pass für den Flug nach Casablanca ausgestellt? Dieser Vorgang ist für Paech unerklärlich und stützt die Vermutung der Opposition, man habe Zammar vielleicht absichtlich fliegen lassen, damit sich US-Stellen um ihn kümmern könnten. Steinmeier wie Uhrlau betonen indes, Zammars Ausreise sei rechtlich nicht zu verhindern gewesen. Die Regierung, so der Minister, habe nicht "augenzwinkernd zugelassen", dass die USA Zammar in Marokko "kidnappen und mit Methoden befragen, die in Deutschland nicht erlaubt sind". Dass dem FBI dessen Reisedaten übermittelt wurden, rechtfertigt Steinmeier mit dem Hinweis, nach dem 11. September habe man Washington "jede gewünschte Hilfe" bei der Ermittlung der Attentäter versprochen. Er betont, Berlin sei erst im Juni 2002 von den USA über Zammars Verschleppung unterrichtet worden, zuvor habe es nur "sich widersprechende Gerüchte, falsche Fährten und Spekulationen" gegeben. Darüber habe eine "Empörungslage" geherrscht, tut Uhrlau dem Ausschuss kund, was er gegenüber US-Stellen auch deutlich zum Ausdruck gebracht habe.
Nun wird in syrischen Knästen auch gefoltert. Gleichwohl befragten deutsche Vernehmer im November 2002 Zammar, um dessen Wissen über terroristische Strukturen abzuschöpfen. Das sei ein "heikel" gewesen, räumt Steinmeier ein, man sei sich der "Probleme in syrischen Gefängnissen" bewusst gewesen. Er weise jedoch die Unterstellung zurück, hiesige Behörden hätten "sich Folterbedingungen zu Nutze gemacht", um Informationen zu erlangen. Zammars Verhör wäre bei entsprechenden Hinweisen abgebrochen worden. Das sei die "rote Linie" gewesen.
Zammars Vernehmung kam im Zuge einer von Berlin im Juli 2002 mit Damaskus vereinbarten Kooperation beim Antiterror-Kampf zustande. Zur Zusammenarbeit mit einem diktatorischen Regime sagte der einstige Kanzleramtschef, damals sei Syrien für den Westen ein Verbündeter beim Vorgehen gegen den Terrorismus gewesen. Auch Steinmeiers Nachfolger im Kanzleramt, Thomas de Maizière (CDU), leistete vor dem Ausschuss Schützenhilfe: "Manchmal muss man mit dem Teufel Kirschen essen".
Steinmeier wiederum entgegnete auf den Vorwurf Ströbeles, das Auswärtige Amt habe das Bemühen um eine konsularische Betreuung des Gefangenen für lange Zeit eingestellt: die Syrer hätten Zammar ohnehin nicht überstellt. Statt auf Diplomatie habe man Kontakte zwischen den Geheimdiensten vorgezogen.