Feminismus
Ein Streit um Handlungsoptionen
Für die Ex-Tagesschausprecherin Eva Herman ("Das Eva-Prinip") sind die Gedanken der französischen Existenzialistin Simone de Beauvoir "Gift", von dem sich die Frauen endlich befreien müssten. Man kann sich aber auch ernsthaft mit deren Philosophie auseinandersetzen - freilich nur bei entsprechendem Intellekt. Beispiele dafür lieferte der Buchmarkt im Vorfeld des 100. Geburtstages de Beauvoirs am 9. Januar 2008 zur Genüge. Die Analyse des Philosophieprofessors und Sarte-Experten Hans-Martin Schönherr-Mann ist eines davon.
In "Simone de Beauvoir und das andere Geschlecht" steht - der Titel verrät es - deren Hauptwerk im Zentrum. Als "Das andere Geschlecht" 1949 erschien, löste es einen Sturm der Entrüstung aus - vor allem bei männlichen Lesern. Verständlicherweise, denn die Kritik de Beauvoirs am traditionellen Frauenbild war radikal und mündete in die These, man werde nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht. Das musste die Männerwelt - in Frankreich besaßen Frauen erst seit 1944 das volle Wahlrecht - schockieren.
Diese Welt existiert aber nicht mehr. Frauen können Regierungschefinnen werden und über Berufs- und Kinderpläne entscheiden. Ist die vom Existenzialismus geprägte Kritik de Beauvoirs also überholt?
Befreit man die Debatte, wie Schönherr-Mann es tut, von dem verengten Fokus auf Kinderbetreuungs- oder Stillzeiten und versucht, mit Philosophie zu argumentieren wo Philosophie gemeint war, kann die Antwort nur ein Nein sein. Denn die Suche nach dem Sinn des Lebens, danach, sich als Mensch in seinen unterschiedlichsten Facetten zu verwirklichen wird immer aktuell bleiben. Und um nichts weniger ging es Simone de Beauvoir.
Schönherr-Mann trennt nicht nur die Begriffe "Feminismus" und "Karrierismus" voneinander und zieht damit eine nötige, meist verwischte Grenze in der Diskussion um die Ursachen des Geburtenrückgangs. Er zeigt, wie sich der Feminismus de Beauvoirs aus dem Existenzialismus herleiten lässt und befreit damit gleichzeitig den Begriff der "Emanzipation" von der Verengung auf den Feminismus: "Emanzipation in jeder Form siedelt zutiefst in der aufklärerischen Perspektive, die sie als individuelle Freiheits- und Partizipationsrechte interpretiert: auf der Grundlage, dass das Leben des Menschen nicht immer schon von anderer Seite her determiniert wird." Von solchen Gedanken sollte man sich nicht befreien müssen.
Simone de Beauvoir und das andere Geschlecht.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2007; 239 S., 14,90 ¤