ANNEMARIE RENGER
Staatsakt zum Abschied von der früheren Bundestagspräsidentin
Mit einem Staatsakt im Deutschen Bundestag hat die Bundesrepublik am 13. März Abschied von der früheren Bundestagspräsidentin Annemarie Renger genommen. Die SPD-Politikerin war am 3. März im Alter von 88 Jahren in Oberwinter bei Bonn gestorben. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) würdigten die herausragende Rolle Annemarie Rengers in der deutschen Nachkriegspolitik. Sie hatte 37 Jahre lang, von 1953 bis 1990, dem Parlament angehört. Von 1972 bis 1976 war sie Bundestagspräsidentin, die erste Frau in diesem Amt. Danach blieb sie 14 Jahre lang Vizepräsidentin.
Nach den Worten Lammerts gehörte Annemarie Renger zu jenen Abgeordneten, die noch die Weimarer Republik erlebt haben und auf diese Weise eine Brücke zwischen der ersten parlamentarischen Demokratie und dem demokratischen Neubeginn in Deutschland herstellen konnten. "Die sozialdemokratische Idee vertrat sie mit Überzeugung und Loyalität", sagte Lammert. Dabei habe sie den Artikel 38 des Grundgesetzes, wonach Abgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen seien, auf ihrer Seite gewusst. "Eine Verfassungslage, die bis heute weder an rechtlicher Verbindlichkeit noch an aktueller politischer Relevanz eingebüßt hat." Rengers Engagement um die deutsch-israelische Aussöhnung und den christlich-jüdischen Dialog sei mit hohen Auszeichnungen gewürdigt worden, etwa der Ehrendoktorwürde der Ben Gurion Universität, der Buber-Rosenzweig-Medaille und dem Heinz-Galinski-Preis der jüdischen Gemeinde Berlin.
Gerhard Schröder betonte Rengers starke politische Prägung durch ihr sozialdemokratisches Elternhaus. Fasziniert sei sie von der "moralischen Kraft" Kurt Schumachers gewesen. Schröder rief das Bild der jungen Frau vor Augen, die den einarmigen, beinamputierten SPD-Vorsitzenden stützt. "Eines der bewegendsten Zeugnisse der frühen Bundesrepublik", sagte er. "Die beiden stützten sich im Grunde gegenseitig." In ihrem frauenpolitischen Engagement stehe Annemarie Renger in einer Reihe großer Kämpferinnen für die Gleichberechtigung der Frau. Sie habe eine große Würde und große Unbeugsamkeit ausgestrahlt. "Dies hat ihr Charisma ausgemacht", sagte der ehemalige Bundeskanzler.