Verbraucherpolitik
Opposition fordert einen Bericht an - Koalition sagt ihn zu
Gammelfleischskandale, Internetabzocke und unerwünschte Telefonwerbung - das sind drei Beispiele von Verbraucherschutzverletzungen, über die immer wieder geklagt werden. Schutz ist gefordert vor diesen teils kriminellen Machenschaften, der mündige Bürger will Information und Transparenz. Aus diesem Grunde hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag ( 16/8499) vorgelegt, mit dem die Regierung aufgefordert wird, umgehend einen verbraucherpolitischen Bericht vorzulegen. Dieser stelle eine wichtige Informationsquelle dar, der mit Hilfe neuer Kommunikationstechnologien bürgernah verbreitet werde könne.
Bei der Beratung ihres Antrags am 13. März - zwei Tage vor dem Weltverbrauchertag - wies Nicole Maisch darauf hin, dass seit dem Jahr 2004 kein verbraucherpolitischer Bericht mehr vorgelegt worden sei. Dies sieht sie darin begründet, dass die Regierung keine verbraucherpolitischen Erfolge vorzuweisen habe. "Ihre Bilanz ist dünn", sagte die Abgeordnete gegenüber Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CDU). Als Beispiel nannte sie den fehlenden Gesetzentwurf zu den Fahrgastrechten und die Lebensmittelskandale. Dabei sei die Regierung regelmäßig vor Lobbyisten eingeknickt. Moderne Verbraucherpolitik sei Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ob bei Pestiziden im Essen oder Anlagebetrug - der Staat müsse seine Aufsichtspflicht und Kontrollfunktion wahrnehmen. Dies setze auch Verbrauchermacht voraus. Ziel seien informierte und selbstbestimmte Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit ihren Kaufentscheidungen ihre Macht auf den Markt ausüben können. "Nachhaltiger Konsum und das Verändern der Welt mit dem Einkaufsbeutel sind möglich, wenn man die politischen Rahmenbedingungen dafür schafft", so Maisch.
"Nachdrücklich unterstützt" wurde der Antrag der Grünen von der FDP-Fraktion. "Wir wollen eine politische Diskussion darüber führen, was uns die Verbraucherpolitik wert ist und welchen Stellenwert wir ihr geben wollen", sagte Hans-Michael Goldmann von den Liberalen. Auch er kritisierte die Arbeit des Verbraucherschutzministeriums. Als Beispiele nannte er, dass die Beratungen zum Lebensmittel- und Futtermittelgesetz abgesetzt wurden und parlamentarische Initiativen zur Veräußerung von Krediten fehlten. Goldmann sprach sich dafür aus, den Verbraucher zu informieren und ihm die Chance zu Informationen zu eröffnen. Eine Verbotspolitik sei mit dem Leitbild eines mündigen, informierten Verbrauchers überhaupt nicht in Einklang zu bringen, so der FDP-Politiker.
Auch Karin Binder von der Linksfraktion sprach sich für mehr Transparenz in der Verbraucherpolitik aus. Der Verbraucherschutzminister sei ein Fachmann, wenn es darum gehe, sich in den Medien in Szene zu setzen, und bringe auch gut rüber, welche großen Projekte er auf der Liste stehen habe. Das Problem sei nur: Außer den Überschriften komme erst mal nichts, und wenn dann etwas komme, sei das sehr unzulänglich. Dabei seien nicht nur Gesetzesvorschläge wichtig, viel interessanter sei auch, wie die Bundesgesetze auf Länderebene umgesetzt würden. "Wir können hier nämlich wunderbare Gesetze beschließen; das nützt aber nichts, wenn niemand zuständig und verantwortlich ist, diese tatsächlich in die Praxis umzusetzen", betonte Binder. Als Beispiel nannte sie die Lebensmittelkontrolle. In Stuttgart zum Beispiel gebe es 11.000 Betriebe, die zu kontrollieren wären, aber nur 18 Lebensmittelkontrolleure.
Für die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD war der Antrag der Grünen zur Vorlage eines verbraucherpolitischen Berichts völlig unverständlich und die Beratungen darüber Zeitverschwendung. So wies Uda Heller (CDU/CSU) darauf hin, dass das Kabinett am 23. April einen entsprechenden Bericht verabschieden werde, sodass die parlamentarischen Beratungen noch vor der Sommerpause erfolgen könnten. Auch konnte sie die Kritik der Opposition an der Arbeit der Regierung nicht nachvollziehen. Der jetzige Verbraucherschutzminister steht für klare Zielvorstellungen, nicht für Worte. "Wir setzen auf Taten." Es seien viele gute Ergebnisse für den Verbraucherschutz erzielt worden. Dabei verwies sie auf das 13-Punkte-Programm für Lebensmittelsicherheit, von dem schon viele wichtige Elemente umgesetzt seien. Mit der Verabschiedung des Gentechnikgesetzes könnten erstmals Verbraucher ganz klar erkennen, ob tierische Produkte gentechnikfrei sind oder nicht.
Weiter verwies sie auf den im vergangenen Herbst verabschiedeten Aktionsplan gegen Allergien. Außerdem seien wichtige Reformen der Forschungseinrichtungen durchgeführt worden, um bessere Voraussetzungen für eine leistungsfähige und international wettbewerbsfähige Spitzenforschung zu schaffen.
Auch für Waltraud Wolff (SPD) ist alles, was in dieser Regierung bisher geschaffen worden ist, ein "großer Schritt nach vorn". Sie sprach sich erneut für die Kennzeichnung von Lebensmitteln aus und kritisierte die Angaben, die bisher von der Lebensmittelindustrie gemacht werden. Zudem vermisste sie in dem Antrag der Grünen eine "klare Strategie". Als Erfolg wertete sie auch das Maßnahmenpaket gegen unerlaubte Telefonwerbung. Verbraucherpolitik sei an dieser Stelle ganz klassische Verbraucherschutzpolitik. Der Antrag der Grünen wurde schließlich vom Plenum abgelehnt.
Ebenso erging es ihrem zwei Jahre alten Antrag "Moderne Verbraucherpolitik fortführen und weiterentwickeln" ( 16/684, 16/8398).